Judith Keemss studiert in Landau Medien- und Kommunikationspsychologie im Master. Neben dem Studium arbeitet sie als Hilfswissenschaftlerin für das Forschungsprojekt The Moroccan Entrepreneurial University Initiative (MUnIE). Das Projekt soll marokkanischen Menschen das Leben nach dem Hochschulabschluss erleichtern. Wie das von Europa aus funktioniert, erklärt sie im Interview.
Du arbeitest als wissenschaftliche Hilfskraft für das DAAD und BMZ-geförderte Forschungsprojekt MUnIE. Was verbirgt sich hinter diesem Projekt?
Ganz allgemein sollen zwei marokkanische Hochschulen, die Université Euro-Méditerranéenne de Fès und das Institut Agronomique et Vétérinaire Hassan II in Rabat dabei unterstützt werden, sich besser an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anzupassen. Für Studierende soll vor allem der Übergang vom Studium in den Beruf erleichtert werden – zum Beispiel durch einen höheren Praxisbezug und die Vermittlung von Soft Skills im Studium. An vielen nordafrikanischen Hochschulen gibt es noch Entwicklungsbedarf in diesem Bereich, die Arbeitslosenquote unter Hochschulabsolvent:innen ist höher als unter Nicht-Studierenden. Mitbeteiligt sind neben dem Zentralen Institut für Scientific Entrepreneurship & International Transfer (ZIFET) der Universität Koblenz-Landau auch die französische Université de Haute-Alsace und die Eberhard-Karls-Universität Tübingen.
Wie kann man sich eine solche Unterstützung im internationalen Rahmen vorstellen?
Mehr Beispiele zum Geldverdienen neben dem Studium gibt’s in unserer Serie Studis und ihre Nebenjobs.
Vor zwei Jahren haben wir erst einmal den Status quo an den beiden Standorten erfasst. Davon ausgehend gibt es verschiedene Projektziele, die unterschiedliche Facetten der Arbeitsmarktorientierung begünstigen sollen. Eine wichtige Facette ist unternehmerisches Lehren und Lernen. In diesem Bereich sieht die Unterstützung unter anderem so aus, dass Anfang 2020 in einer Train-the-Trainer-Week Mitarbeitende der Hochschulen aus Marokko nach Koblenz gekommen sind.
Was haben sie genau in Koblenz gemacht?
In methodischen Trainings haben sie gelernt, welche Kompetenzen arbeitsmarktrelevant sind und wie sie vor Ort auch an die marokkanischen Studierenden weitergegeben werden können. Wenn das Projekt 2022 ausläuft, können wir anhand des Vergleichs zum anfänglichen Status Quo überprüfen, ob sich die Situation tatsächlich verbessert hat.
Welche Rolle übernimmst du in dem Ganzen?
Vieles, was von Landau aus passiert, ist Projektmanagement, ähnlich wie in Unternehmensberatungen in der freien Wirtschaft. Dabei unterstütze ich, indem ich zum Beispiel dokumentiere, welche Projektziele wir erreichen. Außerdem vermittle ich bei Kommunikationsprozessen. Ich übernehme auch Marketingaufgaben, wenn zum Beispiel Flyer oder Webseiten erstellt und bearbeitet werden. Dann kann ich einerseits kreativ und innovativ mit gestalten. Andererseits muss ich durch regelmäßige Rücksprachen mit allen Beteiligten und den beauftragten Agenturen dafür sorgen, dass alle mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Warum gerade dieser Job? Wie kamst du daran?
Über eine Ausschreibung in den Uni-Mails. Die war eher vage gehalten und klang so, als könnte man sich selbst sehr gut einbringen. Das fand ich cool. Auch die Internationalität und die Möglichkeit, Methoden zu nutzen, die ich aus meinem Studium bisher nicht kannte, klangen spannend. Die Ausschreibung hörte sich an, als könnte ich an diesem Job in die richtige Richtung wachsen.
Hat sich das bewahrheitet?
Auf jeden Fall! Vor allem durch die Koordination von und Zusammenarbeit mit verschiedensten Menschen lerne ich viel darüber, was Hindernisse in der Kommunikation sein können und wie man auch interkulturell kompetent mit ihnen umgeht. Da ich Psychologie im Master mit Schwerpunkt Kommunikationspsychologie studiere, passt das natürlich gut.
Hilft dir dein Studium umgekehrt auch bei deinem Job? Falls ja, inwiefern?
In meinem Bachelorstudium habe ich ein Seminar zu kommunikationspsychologischen Übungen geleitet. Dadurch habe ich nach und nach dazugelernt, worauf es bei Kommunikation ankommt. Das ist enorm wichtig, wenn man viele unterschiedliche Projektbeteiligte koordiniert. Außerdem hilft mir, dass ich als Psychologiestudentin eine gute quantitative Methodenausbildung habe. Auch in qualitativ ausgerichteten Projekten wie MUniE geht es nicht ganz ohne quantitative Methoden. Da kann ich gut mithelfen.
Du arbeitest in einem akademischen Setting mit praxisbezogenen Maßnahmen aus der freien Wirtschaft. Quasi die Synthese aus Theorie und Praxis, die MUniE versucht zu fördern. Würdest du zustimmen?
In der RHEINPFALZ gibt es einen Artikel über das ZIFET in dem sinngemäß steht, dass es aus dem akademischen Elfenbeinturm ausbricht und eine echte Beziehung zu dem aufbaut, was wirklich gebraucht wird. Insofern stimmt die Aussage auf jeden Fall. Dadurch vermitteln wir auch indirekt eine wichtige Botschaft nach Marokko. Unsere Projekte zeigen, dass auch im akademischen Bereich praktische, unternehmensorientierte Arbeit möglich und notwendig ist.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus?
Es kommt immer darauf an, an welchem Punkt von “Machen – Rücksprache halten – Optimieren – Rücksprache halten” ich mich gerade befinde. Meistens spreche ich To-dos ab und arbeite mich dann durch. Das können Recherchearbeiten sein, Kommunikation mit Agenturen, Testläufe für Umfragen…
Wie viele Stunden arbeitest du pro Woche?
Anfangs waren es fünf Stunden, inzwischen arbeite ich sechs Stunden pro Woche.
Was ist eines deiner schönsten Erlebnisse im Zusammenhang mit deinem Job?
Das ist schwierig. Das Büro ist insgesamt ein richtiger Wohlfühlort. Das ZIFET teilt sich in Landau die Räumlichkeiten mit dem Gründungsbüro, in dem meine Chefin Dr. Cornelia Delp auch arbeitet. Deshalb bekomme ich viel von Personen mit, die sich selbstständig machen wollen und kostenlose Beratung vom Gründungsbüro erhalten. So ist die Arbeitsatmosphäre enorm kreativ. Ich bekomme Eindrücke, die ich sonst nicht bekommen würde. Nicht allen Studierenden ist das bewusst, aber die Universität Koblenz-Landau ist eine Gründungshochschule und das merkt man dort sehr.
Würdest du anderen Studierenden deinen Job weiterempfehlen?
Ja, auf jeden Fall. Zugegeben musste ich mich daran gewöhnen, dass es selten konkrete Arbeitsaufträge gibt. In meinen früheren Nebenjobs herrschte das Motto: “Hier gibt es eine klar umrissene Aufgabe, bitte erledige sie.” Jetzt ist es eher: “Kannst du diese Zusammenarbeit koordinieren und zurückmelden, was der Stand der Dinge ist?”
Viel Freiheit, die erstmal verunsichert, wenn man sie nicht gewohnt ist.
Genau. Dadurch gewinnt man aber langfristig Sicherheit. Es wird einem auch viel Vertrauen entgegengebracht, man hat nicht das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Deshalb würde ich den Job definitiv weiterempfehlen. Es werden auch immer wieder neue Projektanträge gestellt für Projekte mit anderen nordafrikanischen Universitäten. Nach solchen Stellenausschreibungen Ausschau zu halten, lohnt sich.
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um für ein Projekt wie MUniE zu arbeiten?
Offenheit für unterschiedlichste Menschen und Arbeitsansätze sind sehr wichtig. Organisiert zu sein hilft auch enorm, gerade weil viele Aufgaben keinen vorgegebenen Ablauf haben. To-do Listen helfen natürlich dabei, den Überblick zu behalten. Auch darüber, was man schon alles gemacht hat. Ganz wichtig außerdem – und daran kann ich auch selbst noch arbeiten: Man sollte sich nicht davor scheuen, auch mal nach Hilfe zu fragen.
Interview: Annika Namyslo