Alle Studierenden kennen das: Die Prüfungsphase steht bevor und man weiß gar nicht, wo und wie man mit dem Lernen anfangen soll. Hier kann der gezielte Einsatz von Lernmethoden Abhilfe schaffen. Doch welche Methoden gibt es eigentlich und wie findet man die für sich passende?
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Schon beim Thema Lernort scheiden sich die Geister: Die einen schwören auf lange Sitzungen in der Bibliothek, andere können nur zu Hause lernen. Eine wichtige Vorbereitung aufs Lernen besteht auf jeden Fall darin, eine geeignete Lernsituation zu schaffen. Dafür ist es sinnvoll, herauszufinden, in welcher Umgebung man sich selbst wohlfühlt und nicht abgelenkt wird. Hierbei kann von auch Bedeutung sein, dass die Arbeitsumgebung ordentlich ist und alle Lernutensilien gut vorbereitet ihren Platz haben. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob man lieber in der Gruppe lernt oder für sich alleine. Neben dem “Wo” und “Mit wem” spielt das “Wann” des Lernens eine wichtige Rolle. Ein ordentlich strukturierter Lernplan ist für viele Studierende essenziell, um einen Überblick darüber zu bekommen, wann sie welchen Stoff lernen möchten. Regelmäßige Pausen und genügend Schlaf sind simple Dinge, sollten jedoch in einen solchen Zeitplan integriert werden. Sie tragen ebenfalls zum erfolgreichen Lernen bei, in dem sie dabei helfen, die Motivation nicht zu verlieren.

Ein konkreter Zeitplan für jeden Lerntag ist immer hilfreich. Wichtig ist dabei, genügend Pausen einzuplanen. Foto: Olivia Schwarz
Lernen als Typfrage
Wenn man durch Ort und Zeitplan optimale Vorbedingungen geschaffen hat, geht es ans eigentliche Lernen. Lernmethoden können Studierenden helfen, sich neues Wissen anzueignen und Lernprozesse zu optimieren. Jeder Mensch lernt individuell, weshalb nicht jede Lernmethode zu ihm passt. Um die richtige Methode für sich zu entdecken, lohnt es sich, herauszufinden, welcher Lerntyp man eigentlich ist.
Da wir alle unterschiedlich lernen, kann die Einteilung in verschiedene Lerntypen eine hilfreiche Methode darstellen. Frederic Vester, ein Systemforscher, hat vier Lerntypen kategorisiert, die Lernstoff auf verschiedene Weise aufnehmen, zusammenführen und speichern, abhängig von den unseren Wahrnehmungskanälen. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Josef Schrader forscht zur beruflichen Weiterbildung für Erwachsene und entwickelte ein anderes Modell, das fünf Lerntypen unterscheidet. Jedem Lerntyp werden verschiedene Eigenschaften zugeschrieben, anhand derer man herausfinden kann, welchem Lerntyp man innerhalb eines Modells entspricht.
Die vier Lerntypen nach Frederic Vester
Ein auditiver Lerntyp lernt nach Frederic Vester primär durch das Hören und Sprechen. Er kann sehr gut zuhören und sich für längere Zeit konzentrieren. Mündliche Erläuterungen helfen ihm mehr als Bilder oder Grafiken, daher werden nur wenige schriftliche Notizen benötigt. Der auditive Lerntyp kann sich Lernstoff entweder vorlesen lassen oder aufnehmen und zum Lernen immer wieder anhören. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Vorträge zum Thema anzuhören. Selbstgespräche beim Lernen können diesem Lerntyp ebenfalls helfen. Eine ruhige Umgebung ist sinnvoll, um nicht von anderen auditiven Reizen gestört zu werden.

Papier, Farben und Visualisierungen helfen dem „optisch-visuellen Lerntyp“ dabei, sich Inhalte besser einzuprägen. Foto: Magnet Me
Der optisch-visuelle Lerntyp lernt durch Sehen und Beobachten. Er bevorzugt die optische Wahrnehmung und profitiert von Grafiken, Diagrammen und Bildern. Der visuelle Lerntyp kann viel lesen und sich komplexere Sachverhalte selbst in Grafiken aufzeichnen. Papier und viele Stifte helfen ihm, Zusammenhänge sofort zu visualisieren. Dabei sollte die Lernumgebung aufgeräumt genug bleiben, damit diese nicht zur Ablenkung führt.
Der haptisch-kinästhetische Lerntyp, auch motorischer Lerntyp genannt, lernt durch Anfassen und Fühlen. Am effektivsten ist sein Lernfortschritt, wenn er etwas tun kann. Ein Beispiel hierfür sind Rollenspiele in Lerngruppen. Doch auch, sich alleine durch den Raum zu bewegen und gestische Bewegungen zu machen, kann für diesen Typ beim Lernen eine Stütze sein. Wenn die Themen es zulassen, können das Durchführen von Versuchen sowie die Beobachtung der Abläufe den Lernerfolg steigern.

Für kommunikative Lerntypen ist das Lernen in der Gruppe fruchtbar. Hier kann es helfen, sich Inhalte gegenseitig zu präsentieren. Foto: Jason Goodman
Ein kognitiv-intellektueller Lerntyp lernt am schnellsten durch das Lesen und Denken. Für ihn ist es wichtig, intensiv zu lesen, über das Gelesene nachzudenken und sich kritisch mit Themen auseinanderzusetzen. Eine ruhige Umgebung ist bei dieser Lernmethode von Vorteil, genauso wie das individuelle Lernen.
Einige Nachfolger von Vester haben, basierend auf seinen Ideen, einen fünften Lerntyp beschrieben: den kommunikativen Lerntyp. Gespräche und Diskussionen in kleinen Gruppen können für diese Personen eine Hilfe sein, sich den Lernstoff besser einzuprägen. Auch eigene Präsentationen zu erstellen, sie Kommiliton:innen vorzustellen und so Diskussionsgrundlagen zu schaffen, kann von Nutzen sein.
Noch mehr Lerntypen: Das Modell von Josef Schrader
Josef Schraders Modell enthält mit dem Theoretiker einen ganz unproblematischen Lerntyp. Wer ein Theoretiker ist, der lernt gerne, egal ob praktisch oder theoretisch. Der Lernstoff bereitet ihm keine Schwierigkeiten, daher braucht er keine spezielle Lernmethode.
Ein anwendungsorientierter Lerntyp lernt hingegen am besten durch das Ausprobieren. Schwierig kann es werden, wenn solche Menschen es mit abstrakten Themen zu tun haben, die praktisch schwer umsetzbar sind. Hier kann es helfen, Einheiten in Teilschritte einzuteilen und zum Beispiel Skizzen anzufertigen, mit Kommilitonen darüber zu sprechen und ihnen anhand einer kleinen Präsentation den Lernstoff zu erklären versuchen.
Der Lerntyp Musterschüler hat normalerweise keine großen Schwierigkeiten zu lernen und arbeitet fleißig seine Lektionen ab. Dennoch kann ein:e Ansprechpartner:in wichtig sein, um bei Schwierigkeiten oder Verständnisproblemen weiterzuhelfen. Ideal wäre eine Lerngruppe, in der man den Stoff diskutieren und sich gegenseitig helfen kann.
Ein gleichgültiger Lerntyp ist nach Schrader jemand, der vor allem einen strukturierten Lern- und Zeitplan braucht, um die Motivation nicht zu verlieren. Belohnungen und Pausen sind für ihn besonders wichtig, um motiviert zu bleiben. Der Fokus sollte immer auf dem Endziel liegen.
Der unsichere Lerntyp traut sich wenig zu und ist wahrscheinlich noch nicht erfahren in Prüfungsphasen. Hier helfen kleine Erfolgserlebnisse, das Selbstbewusstsein aufzubauen und die Motivation des Lernenden hochzuhalten. Ein Erfolgserlebnis könnte zum Beispiel sein, dass die zeitliche Einteilung des Lernplans funktioniert hat oder man an einem Tag geschafft mehr hat, als ursprünglich geplant. Gerade darum sollte eingangs nicht zuviel eingeplant werden.
Reflexion hilft
Die Reflexion des eigenen Lernverhaltens ist beim Thema Lernen sehr wichtig, um für sich persönlich das Beste aus der Prüfungsphase herauszuholen. Die meisten Menschen sind jedoch Mischtypen. Darum ist es hilfreich, mehrere Sinnesorgane zu nutzen, um sich das Gelernte erfolgreich einprägen zu können.
Eines sollte man im Hinterkopf behalten: Eine Unterteilung in Lerntypen ist eine Abstraktion, die der Wirklichkeit nicht zu hundert Prozent gerecht wird. Grundsätzlich spielen zahlreiche Faktoren beim erfolgreichen Lernen eine Rolle. Dazu gehören auch das Vorwissen und die persönliche Situation. Trotzdem kann es helfen, das typgerechte Lernen auszuprobieren. Denn klar ist zumindest: Ein Patentrezept, das für alle gleichermaßen funktioniert, gibt es nicht.
Anne Papenfuß
Literatur zum Thema:
Josef Schrader: Lerntypen bei Erwachsenen Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen |