Aus dem Labor

Nachgefragt: Was macht man eigentlich als Ernährungswissenschaftlerin?

Die Ernährungspyramide zeigt, wie man sich ausgewogen ernähren kann. Foto: Fotolia/ shahrohani

Die Ernährungspyramide zeigt, wie man sich ausgewogen ernähren kann. Foto: Fotolia/ shahrohani

Was macht man eigentlich als Ernährungswissenschaftlerin? UniBlog hat bei Dr. Michaela Schlich von der Universität Koblenz-Landau nachgefragt. Ihr Fachgebiet am Campus Koblenz: Ernährungs- und Verbraucherbildung.

Dr. Michaela Schlich forscht unter anderem auf den Gebieten der Sensorik und Vitaminanalytik. Foto: Müller

Dr. Michaela Schlich forscht unter anderem auf den Gebieten der Sensorik, Vitaminanalytik und Didaktik der Ernährungsbildung. Foto: Müller

Sie sind Ernährungswissenschaftlerin – was macht dieses Forschungsgebiet aus und was genau sind Ihre Aufgaben an der Universität?

Das Studium der Ernährungs- und Haushaltswissenschaften (Ökotrophologie) ist sehr interdisziplinär aufgestellt: Von der Humanmedizin, der Biologie, Chemie und Physik bis hin zu VWL-Anteilen ist eigentlich alles dabei. Das macht das Thema sehr spannend. Aber es ist schwierig zu sagen, was Ökotrophologen grundsätzlich machen. Viele Absolventen arbeiten zum Beispiel in der Pharma- oder Lebensmittelindustrie, in der Produktentwicklung bei Unternehmen, im Hygienemanagement und einige in der Ernährungsberatung, die wenigsten gehen an eine Schule.

Wir von der Universität Koblenz-Landau sind in Rheinland-Pfalz die einzigen Vertreter der Ernährungs- und Haushaltswissenschaften, weil man das Fach selbst nur an Universitäten in anderen Bundesländern studieren kann. Meine Position ist dabei die Vertretung der Fachwissenschaften, der Fachdidaktik und der Fachpraxis in einem. Meine Hauptaufgabe besteht darin, Lehrkräfte für die Arbeit an der Grundschule, Realschule+ oder Förderschule auszubilden.

Woran forschen sie momentan?

Die Serie

Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.

Alle Artikel aus dieser Serie

Derzeit arbeiten wir an der Auswertung einer Umfrage von etwa 1000 Personen zum Thema Ernährungsökologie, also welche Auswirkungen Ernährung oder Ernährungsempfehlungen auf die Gesellschaft oder Wirtschaft im Sinne der Nachhaltigkeit haben. Dazu wird es demnächst auch eine Publikation geben. Dann experimentieren wir in der Didaktik viel mit auditiven Medien. Wir sprechen bestimmte Rezepte oder Arbeitsaufträge inklusive Informationen zu Produkten und Herstellungsverfahren auf eine Audiodatei auf und lassen dann Testpersonen damit arbeiten. Im Nachhinein überprüfen wir, wie viele Zusatzinformationen sich die Person behalten konnte. Es geht also ein bisschen in die Lerntypenforschung hinein und beschäftigt sich dort mit der Frage, ob Lernende sich Informationen ausschließlich über das Ohr, bei gleichzeitiger praktischer Arbeit, besser aneignen, merken und reproduzieren können. Das ist für die Studierenden sehr interessant und macht auch immer sehr viel Spaß.

Eines Ihrer Spezialgebiete ist die Sensorik. Was kann man sich darunter vorstellen?

Die Sensorik in der Ernährungswissenschaft beschäftigt sich mit der Bewertung der verschiedenen Attribute und sensorischen Eigenschaften von Lebensmitteln mit den Sinnesorganen. Viele werden sicherlich Geschmacks- oder Geruchstest im Kopf haben, die natürlich wichtige Forschungsmethoden darstellen. An der Universität entstand die Idee, unsere Studierenden sensorisch zu schulen. Dabei verwenden wir Schulungsmethoden verschiedener DIN Normen. Diese geschulten Personen, das Panel, setzen wir dann für sensorische Produkt- und Vergleichsprüfungen ein. Darüber hinaus können die angehenden Lehrkräfte dieses Wissen sehr gut in der Schule, insbesondere in der Ernährungsbildung, anwenden.

Was ist das Faszinierende an diesen Untersuchungen?

Das sind die Aha-Erlebnisse der Probanden. Man merkt sofort anhand der Reaktionen, wie die Testpersonen realisieren, wofür sie ihre Sinne alles einsetzen können. Viele kennen die Aussagen „Das schmeckt mir nicht“ oder „Das schmeckt mir besonders“, aber in der Sensorik geht es eben darum, herauszufinden, warum das persönliche Empfinden beim Essen so ist. Es geht darum, herauszufinden, wonach etwas genau schmeckt, riecht und dem Lebensmittel Attribute zuzuweisen und darüber Qualitäten zu definieren bzw. zu unterscheiden. Daher ist sowohl die Schulung und das Training des Geruchs- und Geschmackssinnes, des Hörsinnes und des Tastsinnes (z.B. zur Überprüfung der Textur eines Lebensmittels) eine spannende Herausforderung für mich.

Spielt Sensorik auch für gesunde Ernährung eine Rolle?

Sensorik ist natürlich ein Bestandteil gesunder Ernährung. Wir sprechen allerdings lieber von ausgewogener Ernährung, denn “die” gesunde Ernährung per se gibt es nicht, da jeder Mensch unterschiedlich ist und Ernährung immer ein Gesamtkonzept ist. Was für den einen gesund ist, kann für den anderen eventuell schädlich sein. Wenn man sich zum Beispiel die Ernährungspyramide anschaut, dann wird deutlich, dass jedes Lebensmittel einen Platz hat, weil alles in seinen Maßen und Mengen zu einer ausgewogenen Ernährung gehört. Das heißt, ich muss für mich selbst meine Ausgewogenheit beim Essen finden, aber es muss mir dabei auch schmecken. Dabei sind Ernährungskompetenzen, z.B. über die Zusammensetzung der Lebensmittel und die Biochemie der Nährstoffe von besonderer Bedeutung.

Wie kann man Menschen helfen, einen Sinn für ausgewogene Ernährung zu entwickeln?

Jeder sollte erstmal von allem etwas probiert haben, denn nur über die Vielfalt kann man für sich erkennen, was einem schmeckt und was für einen selbst gesund ist. Dann sind wie schon gesagt Kenntnisse über die Lebensmittelzusammensetzung von Bedeutung. Dazu muss man nicht einmal in exotische Länder schauen, weil es auch bei uns schon eine große Lebensmittelvielfalt gibt. Besonders weisen wir unsere Studierenden darauf hin, auf die saisonale Lebensmittelvielfalt zu schauen. Wir schulen sie, aufmerksamer durch den Wald oder übers Feld spazieren zu gehen, um zu erkennen, was  gerade bei uns wächst. Klar kann ich im Winter auf tiefgekühlte Himbeeren zurückgreifen, wenn ich sie unbedingt brauche. Aber auch im Winter gibt es saisonale Lebensmittel, die man vielfältig bei der Lebensmittelzubereitung einsetzen kann. Uns ist natürlich auch die Verbraucherseite wichtig. Unsere Studierenden entwickeln Konsum- und Finanzkompetenzen und sind u.a. in der Lage richtig einzukaufen. Sie verstehen die Angaben auf den Lebensmittelverpackungen, wie Nährwertkennzeichnungen und andere Deklarationen, und kennen die lebensmittelrechtlichen Hintergründe. Auch dieses Wissen können sie wiederum an ihre Schüler weitergeben.

Bei der richtigen Zubereitung der eingekauften Lebensmittel kommt die Vitaminanalytik, einer Ihrer weiteren Forschungsschwerpunkte, zum Einsatz. Worauf muss ich dabei achten?

Zunächst einmal: Jeder kann kochen. Kochen ist keine Kunst, man muss sich nur einmal heranwagen. Denn oft fehlt den Leuten die Motivation, selbst zu kochen. Bei den neueren Garverfahren, mit denen die Hersteller technischer Haushaltsgeräte werben, kann man eigentlich nichts mehr falsch machen. Die Geräte und Verfahren sind bereits bestens geeignet die wichtigen Inhaltsstoffe der Lebensmittel zu erhalten. Aber wir bringen unseren Studierenden natürlich auch die grundlegenden Kompetenzen der Lebensmittelzubereitung bei.

Wie wird man denn zum Meister an den Töpfen?

Je mehr Kenntnisse über die verschiedenen Garverfahren und je mehr Wissen über die verwendeten Lebensmittel man sich über die Jahre angeeignet hat, desto besser klappt auch das Kochen. Wenn man eben über die Handlungen und Grundlagen nicht mehr nachdenken muss, z.B. wo man welche Temperatur, welches Verfahren, welches Gargeschirr verwendet oder wie viel Wasser man braucht und wie ich meinen Arbeitsplatz sinnvoll einrichte.  Dann geht das ganze wie im Schlaf und macht noch mehr Spaß, weil dann auch Freiraum entsteht, um kreativ zu werden und neue Ideen auszuprobieren.

Was sind die größten Fehler, die ungeschulte Leute beim Kochen machen können?

Weniger ist manchmal mehr. Werden Kartoffeln in sehr viel Wasser gegart, führt das zum Beispiel dazu, dass viele der Inhaltsstoffe ins Wasser übergehen und dann weggeschüttet werden. Genauso oft wird meist zu viel Fett zum Garen benutzt. Gemüse sollte vor dem  Zerkleinern gewaschen werden und nicht danach. Ein Tipp von mir für Gemüse ist das Dampfgaren. Dazu brauch man auch keinen extra Dampfgarer, sondern nur einen Kochtopf mit Dampfeinsatz. Auch die richtige Planung ist wichtig. Wenn man sich vorher überlegt, was man kochen möcht, sich alles bereit stellt und die Zeit richtig einplant bzw. sich nicht planlos an den Herd stellt, verfällt man auch nicht in Hektik und es passieren keine unliebsamen Dinge wie das Überkochen des Wassers oder andere Pannen.

Wie bewerten Sie den allgemeinen Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung?

Das Thema greifen wir im Studium natürlich sehr stark auf. Gegen Ovo-Lacto-Vegetarismus ist nichts einzuwenden, also man kann durchaus mit sehr wenig Lebensmitteln tierischer Herkunft auskommen, aber den Veganismus können wir nicht unterstützen. Die Forschung zeigt, der Mensch ist ein Allesfresser, ein Omnivore. Im Verdauungsapparat gibt es viel zu viele Indizien, die darauf hindeuten. Warum hätte der Mensch in seiner Veranlagung bestimmte Enzyme zur Verdauung tierischer Lebensmittel, wenn er auch ganz ohne Leben könnte? Um als Säugetiere unsere Zellstrukturen optimal aufzubauen, brauchen wir daher tierische Proteine und auch bestimmte Vitamine, die nur in tierischen Lebensmitteln vorkommen.

Und zum Abschluss: Was ist ihr persönliches Lieblingsgericht?

Frischer Salat mit Geflügel und hin und wieder selbstgemachter Milchreis.

Adrian Müller