Raus in die Welt
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Viel mehr als nur Sissi

Anne Schlüter hat ein Auslandssemester in Wien verbracht. Die Stadt bot der Sozial- und Kommunikationswissenschaftlerin eine lebendige Kulturlandschaft. Fotos: Rebecca Singer

Anne Schlüter hat ein Auslandssemester in Wien verbracht. Die Stadt bot der Sozial- und Kommunikationswissenschaftlerin eine lebendige Kulturlandschaft. Fotos: Rebecca Singer

Anne Schlüter studierte während ihres Masters der Sozial- und Kommunikationswissenschaften ein Semester in Wien. Dort hat sie ihre Kurse an der Universität gemeistert, mit dem Kammerorchester unter den Gemälden des berühmten Malers Gustav Klimt gespielt, sich in die malerischen Gässchen Wiens verliebt und ist über kleine Weihnachtsmärkte geschlendert.

Mit dem ERASMUS-Programm nach Wien zu gehen, ist gar nicht schwer. Man muss früh dran sein und darf keine Fristen verpassen, das ist die Hauptsache. Ich habe mich Ende Januar beworben, dann musste das Learning Agreement – der Plan für die Kurse, die besucht werden sollen – bis April abgegeben werden. Die Bewerbung für ein Wohnheim habe ich auch frühzeitig verschickt. So hatte ich direkt eine Zusage und somit eine Wohnung im Zentrum Wiens mit Proberäumen und Flügel im Keller. Die Kurse wählte ich passend zu meinem Schwerpunkt hier am Campus Landau. Soziologie war kein Problem, bei fachfremden Kursen war zunächst unklar, ob ich diese belegen kann. Für Masterstudierende gibt es allerdings genug Plätze, somit hatte sich das schnell erledigt.

Weihnachtskonzert unter den Gemälden Klimts

Und tschüss… !

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Anfangs hatte ich einige Schwierigkeiten, mich in das Leben in Wien einzufinden. Ich hatte das Gefühl, die Wiener bleiben lieber unter sich und sind Fremden gegenüber zunächst skeptisch.  Ich hatte zum Beispiel Probleme mit den Fahrkarten: Ich wusste, es gibt sie irgendwo, aber wo? Das erklärt einem leider niemand. Und es steht nirgends. Solche Kleinigkeiten waren wirklich schwierig. Dafür habe ich mich umso mehr gefreut, wenn es am Ende doch funktioniert hat. Untereinander sind die Wiener allerdings sehr offen, so mein Eindruck. Ich habe im Uniorchester mitgespielt. Dort habe ich viele Studierende aus Wien getroffen, die sehr nett waren. Das war das sogenannte Kammerorchester der Bläser. Um dort mitspielen zu dürfen, musste ich sogar mit der Klarinette vorspielen. Wir hatten jede Woche zwei Stunden Probe. Das Weihnachtskonzert zum Ende des Semesters haben wir dann unter Klimts Gemälden im großen Festsaal der Universität gespielt – sehr stimmungsvoll, wie es sich in Wien gehört.

Ich habe außerdem sehr viele Studierende aus anderen Ländern kennengelernt. Viele Kommilitonen kamen aus Israel und wir haben einen kulturellen Austausch gestartet. Im Winter feierten wir gemeinsam Weihnachten und Chanukka, kochten Gerichte aus verschiedenen Ländern und tauschten uns über Traditionen und Brauchtümer aus. Natürlich haben wir auch die Wiener Kultur genau unter die Lupe genommen. Die berühmte Kaffeehauskultur ist allerdings nicht so überwältigend, wie man sich das vorstellt, aber trotzdem sehr schön. Die Leute sitzen gemütlich in den Kaffeehäusern, unterhalten sich, trinken Wiener Melange und lesen Zeitung.

Der tägliche Weg zur Uni: Vorbei an den touristischsten Orten Wiens

Was mir an Wien besonders gefallen hat, war mein täglicher Weg zur Uni und zurück. Mein Wohnheim lag zwischen der Oper und dem Stephansdom. Fast jeden Tag bin ich durch die Altstadt zur Uni gelaufen, vorbei an der Hofburg, am Naturkundemuseum, am Parlament und am Rathaus. Immer mitten durch den Rummel der Touristen. Das hatte ein ganz besonderes Flair. Meine Lieblings-Erinnerung an diesen Weg hat mit Schokolade zu tun: Eines Tages lief ich in Gedanken vertieft an einem Shop vorbei, als mir ein Mitarbeiter plötzlich eine Schokokugel vor das Gesicht hielt und mich dabei offensiv anstrahlte. Nach dem ersten Schreck überwog die Freude über die Überraschung. Auf die Kugel folgte eine heiße Schokolade mit meinen Freunden.

Anne Schlüter machte während ihres Auslandsaufenthalts einige Ausflüge. Unter anderem war sie in Bratislava, der Hauptstadt der Slovakei – und schaute sich die Pressburg von weitem an.

Flanieren in schönen Parks mit beeindruckenden historischen Gebäuden gehörte zum Wiener Alltag.

Mein Alltag bestand vor allem aus Vormittagen gefüllt mit Seminaren und Vorlesungen an der Universität. Nachmittags war ich häufig mit Kommilitonen unterwegs. Im inneren Bezirk Wiens ist alles wahnsinnig teuer. Lebensmittel findet man in den äußeren Bezirken für viel weniger Geld. Also sind wir gemeinsam aus dem Zentrum herausgefahren, um einzukaufen. Abends habe ich oft lange Spaziergänge unternommen. In Wien ist die Kultur direkt vor der Haustür. Ich bin zum Beispiel ein paar Mal zum Schloss Belvedere gejoggt und wieder zurück. Gerade der Botanische Garten direkt nebenan war einer meiner Lieblingsorte.

Erschlagen von Architektur

Ich war im Wintersemester in Wien, also auch zur Weihnachtszeit. Zu dieser Jahreszeit gibt es Weihnachtsmärkte überall in der Stadt. Und überall gab es sehr viele Menschen und Glühwein. Die meisten Märkte waren von Touristen überfüllt und teuer. Doch so als richtige Wienerin wusste ich ja, wohin ich gehen musste. Also schlenderte ich gemütlich über kleinere, weniger überlaufene Weihnachtsmärkte und genoss Glühwein für zwei Euro.

Was mich sehr beeindruckte, war Wiens Architektur. In Wien geht man in jedes Gebäude und ist erst einmal davon erschlagen. So erging es mir auch, als ich mich für ein Uniprojekt mit dem stellvertretenden Magistratsdirektor im Rathaus getroffen habe. Dieses Gebäude ist wirklich beeindruckend. Auch die verschiedenen Veranstaltungsorte, die ich besuchte, faszinierten mich. Mit meiner Mitbewohnerin, einer Musikstudentin aus Australien, gingen wir zu allen möglichen Musikveranstaltungen: Wir haben zum Beispiel den Nußknacker in der Staatsoper gesehen.

Viel los auf dem Platz vor der Wiener Hofburg – einer der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt.

Besonderes Flair in Bratislava: Der berühmte Roland-Brunnen und das Alte Rathaus bei Nacht.

Ball der Wiener Wirtschaft mit Conchita Wurst

Aus einer spontanen Laune heraus besuchte ich mit meiner Mitbewohnerin den Ball der Wiener Wirtschaft in der Hofburg. Wir haben einfach Karten gekauft, weil wir den Studentenpreis in Ordnung fanden. Also zogen wir los, um uns passende Ballkleider zu kaufen und fanden uns einige Tage später auf dem Ball wieder. Es wurden verschiedene Zünfte Wiens vorgestellt, die Wiener Mode zum Beispiel und die Goldschmiede. Dabei traten die Debütanten und Debütantinnen zum typischen Radetzky-Marsch auf, um in die Zunft eingeführt zu werden. Den darauf folgenden Tanz fand ich auch sehr beeindruckend. Danach wurde die Tanzfläche für alle geöffnet. Es gab verschiedene Säle, in denen unterschiedliche Musik lief. In einem Saal konnte man zum Beispiel Tango tanzen und im großen Saal natürlich Wiener Walzer. Das Highlight war dann die Mitternachtseinlage: Conchita Wurst trat auf und sang ihr Lied Rise Like a Phoenix.

Während meiner Zeit in Wien bin ich natürlich auch gereist. Ich wurde von einer Kommilitonin besucht und wir sind zusammen weiter nach Bratislava gefahren und haben uns die Stadt angeschaut. Später ging es gemeinsam mit Freunden aus Landau nach Prag. Das hat mir auch sehr gefallen. Genossen habe ich dort unter anderem die viel günstigeren Preise im Vergleich zu Wien. Außerdem bin ich nach Krakau gereist. Besonders im Gedächtnis blieb mir der Besuch in Auschwitz. Hier bin ich mit meinen Freunden aus Israel hingefahren, das war ein ergreifender Moment. Mein Tipp an alle, die gern nach Wien reisen möchten, egal ob für ein Auslandssemester oder für einen Urlaub: Verlauft euch in den Gassen Wiens. Läuft man zielstrebig durch Wien, verpasst man das, was Wien ausmacht. Wer einmal mehr um eine Ecke biegt, findet eine noch schönere Gasse. Wien ist viel mehr als nur Sissi. Das merkt man aber nur dann, wenn man sich darauf einlässt.

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