In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute erinnert sich Maria Preuß an Zeiten, in denen man nicht ständig erreichbar und vernetzt war.
Wann sind Sie das letzte Mal verschwunden? Wann haben Sie sich mal verloren, Zeit und Raum vergessen und niemanden Bescheid gesagt, wo Sie sind und wann Sie wieder kommen? Das ist vermutlich schon eine Weile her. Entweder informiert man die Familie, den Mitbewohner oder Freunde. Außerdem erfahren noch die eigenen Online-Bekanntschaften, dass man jetzt die Sonne in Barcelona genießt, eine Ausstellung besucht oder an der Semestereröffnungsparty teilgenommen hat. Jederzeit gibt es die Möglichkeit, alle Menschen, die man kennt, teilhaben zu lassen und mitzunehmen.

Das ist eigentlich sehr schön und ich nutze Facebook oder Instagram auch. Vor allem, um Menschen nicht aus den Augen zu verlieren, die sehr weit weg wohnen. Wenn man an verschiedenen Orten lebt, könnte man wegen der Entfernung überhaupt nicht mehr mitverfolgen, was im Leben liebgewonnener Menschen passiert. Wenn ich dann ein Bild einer Bekannten sehe, die gerade ihren Abschluss gemacht oder einen neuen Job bekommen hat, freue ich mich sehr. Für sie und darüber, dass diese Bekanntschaft nicht in Vergessenheit gerät. Ebenso möchte ich meiner besten Freundin, die in Potsdam lebt, nicht vorenthalten, was ich hier an meinem neuen Wohnort erlebe. Deswegen poste ich Bilder und Anekdoten und fühle mich dadurch verbunden und auch weniger allein.
Vor ein paar Wochen war ich verreist. Nicht an einen sehr weiten oder unbekannten Ort. Es war nur ein kurzer Wochenendausflug und so unspektakulär, dass ich niemanden darüber informierte. Als ich im Zug saß und die Landschaft an mir vorbeiflog, fühlte sich dieser Kurztrip auf einmal sehr abenteuerlich an. Weil mir in dem Moment bewusst wurde, dass niemand wusste, wo ich war und was ich machte. Es fühlte sich geheimnisvoll und ein bisschen rebellisch an. Wie damals als Kind, als ich mit einer Freundin durch Hinterhöfe gestreunt bin. Meine Eltern wussten nur, dass ich draußen war, aber nicht genau, wo. Ich dachte an meine Jugendzeit, als ich noch zu Hause wohnte und oft nur Bescheid sagte, wann ich wieder zu Hause sein werde. Ich hatte damals nicht selten die Idee, mich in einen Zug zu setzen und zu gucken, wo ich ankomme.
Ich fotografiere gern und viel. Die Möglichkeit, mich nicht nur später besser an die Erlebnisse erinnern zu können, sondern sie auch zu teilen, schätze ich. Manchmal begegnen mir aber Orte, die ich nur für mich haben möchte. Die fotografiere ich nicht, sondern konserviere sie allein in meiner Erinnerung. Genauso erging es mir besagter Zugfahrt. Ich fühlte mich eigenständig und unabhängig. Das wäre nicht so gewesen, wenn alle jederzeit wissen, wo ich mich befinde und was ich tue. Sich nirgendwo abzumelden, fühlt sich nach Freiheit an. Einfach verschwinden darf man nur, wenn man nicht mehr Kind ist, aber selber noch keine großen Verantwortungen hat. Verschwinden ist ein Privileg, das wir viel öfter nutzen sollten.
Maria Preuß