Aus dem Labor

Tabuthema Tod: Trauerbegleitung im Berufsalltag

Tod und Trauer werden im Arbeitsalltag noch oft tabuisiert. Prof. Ursula Engelfried-Rave steht gemeinsam mit den Experten für Trauerbegleitung der Handwerkskammer Koblenz für eine trauerfreundliche Unternehmenskultur ein. Foto: Adrian Müller

Tod und Trauer werden im Arbeitsalltag noch oft tabuisiert. Prof. Ursula Engelfried-Rave steht gemeinsam mit den Experten für Trauerbegleitung der Handwerkskammer Koblenz für eine trauerfreundliche Unternehmenskultur ein. Foto: Adrian Müller

Ob ein verstorbende Kollege oder ein im Sterben liegender Verwandter – Tod und Trauer machen auch vor dem Arbeitsplatz nicht Halt. Viele Arbeitgeber wissen jedoch nicht, wie sie adäquat auf die Trauersituation eines Mitarbeiters reagieren sollen, weiß Dr. Ursula Engelfried-Rave vom Koblenzer Institut für Soziologie. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Koblenz erarbeitet sie für die Initiative “Trauer und ihre Begleitung am Arbeitsplatz” Strategien für eine professionelle Integration der Trauerbegleitung im Berufsalltag.

Die Serie

Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.

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Obwohl Belegschaften in einem Trauerfall ihr Beileid bekunden und einem trauernden Kollegen mit symbolischen Gesten Trost spenden, fühlen sich viele Betroffene dennoch oft mit ihren Gefühlen allein gelassen und in ihrer Krisensituation menschlich und sozial ungenügend aufgefangen, berichtet Ursula Engelfried-Rave. “Für andere Mitarbeiter läuft der Alltag meist in normalen Bahnen weiter, während der Trauerprozess für den Betroffenen gerade erst beginnt. Wer nicht in seiner Trauer wahrgenommen wird, kann in einen komplizierten Trauerprozess hineingeraten”, warnt die Soziologin. Auch Arbeitgeber seien oft überfordert, wenn ein Kollegium mit dem Tod eines Mitarbeiters umgehen muss: “Schon das gemeinschaftliche Verfassen einer Traueranzeige kann die Kollegen enorme Überwindung kosten. Auch hier sind neue Formen des Kondolierens und eine angemessene Gesprächskultur gefragt”, weiß Engelfried-Rave. Damit Trauer im Berufsleben nicht länger als ‘Störfall’ stigmatisiert wird, entwickelt sie in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer und der Bezirksärztekammer Koblenz Hilfsangebote, die mehr Verständnis und Rücksichtnahme für Trauernde ermöglichen sollen.

Telefonsprechstunden und Online-Umfragen für Betroffene

In einer Studie untersuchen Studierende des Lehrforschungsprojekts “Trauer und ihre Begleitung am Arbeitsplatz” anonymisierte Geprächsprotokolle, die ein ehrenamtliches Team von Psychologen, Arbeitsmedizinern und Seelsorgern der Handwerkskammer im Rahmen von Telefonsprechstunden für Trauernde angefertigt hat. Eine Onlineumfrage bei Mitgliedsbetrieben der Handwerkskammer Koblenz zur Trauerbegleitung am Arbeitsplatz wird ebenfalls von den Studierenden ausgewertet. “Aus den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung lässt sich ablesen, dass vor allem Frauen die Trauersituation am Arbeitsplatz als problematisch erleben”, erklärt die Leiterin des Forschungsprojekts. “Außerdem melden in erster Linie größere Unternehmen ein besondere Interesse an der Integration von Maßnahmen zur Trauerbegleitung an.” Aus den Studienergebnissen sollen auf lange Sicht Notfallpläne und Handlungsleitlinien entwickelt werden, um die Trauerkultur in Unternehmen zu enttabuisieren und aktiv gestalten zu können.

Trauer am Arbeitsplatz als Seminarthema

Vor allem Studierende bekommen die Möglichkeit, sich im Rahmen des Lehrforschungsprojektes, das Engelfried-Rave seit vergangenem Sommersemester anbietet, intensiv praktisch als auch theoretisch mit Trauerbegleitung am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen. So sollen sie sich im Verlauf des Seminars zunächst in Trauertheorien als auch Thematiken wie ‘Kultursensible Trauer’ oder ‘Komplizierte Trauer’ einarbeiten. In einem zweiten Schritt nehmen sie Kontakt zu Personen auf, die sich professionell oder ehrenamtlich mit Trauerbewältigung befassen, um Einblicke in die Tätigkeit zu bekommen und diese anschließend zu reflektieren. Künftig möchte sie das Projekt gerne als Wahlfach für Studierende im Zwei-Fach-Bachelor anbieten.

Vor allem, weil Tod und Sterben in unserer Leistungsgesellschaft oft verdrängt werden, hält die Soziologin ihre Seminarangebote für einen wichtigen Baustein im Fachbereich: “Nicht nur in der Soziologie selbst sind Trauer und Tod eher Randthemen, auch Experten aus der Praxis sind oft hilflos”, betont Engelfried-Rave. Sie spricht aus Erfahrung, denn vor ihrer Lehrtätigkeit an der Universität war sie lange Zeit in einer Fachschule für Altenpflege tätig und hat für Auszubildende Unterricht zur Sterbebegleitung angeboten. “Auf diesen Stationen wird während der Sterbephase zu häufig nur mehr über, aber nicht mehr mit dem Patienten gesprochen. Es ist also wichtig, diesen Abschnitt des Lebens wieder ein Stück mehr in unsere Erfahrungswelt zu integrieren, und das gilt eben auch für den Arbeitsplatz.”

Sandra Erber

3 Kommentare

  1. Kati Petojevic sagt

    Ich fände es super, wenn auch 2-Fach Bachelorstudierende an der Uni Landau in Zukunft die Möglichkeit hätten ein solches Wahlpflichtseminar zu besuchen!

    • Giovanna Marasco-Albry sagt

      Liebe Frau Petojevic,

      wir leiten Ihre Anfrage an Frau Engelfried-Rave weiter.

      Viele Grüße und eine schöne Adventszeit,
      die Redaktion

    • Dr. Ursula Engelfried-Rave sagt

      Liebe Frau Petojevic,
      Zur Zeit läuft das Seminar noch als Lehrforschungsprojekt und die Institutionalisierung als Wahlfach muss noch die universitären Gremien durchlaufen, das kann leider dauern.
      Viele Grüße
      Ursula Engelfried-Rave

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