Abschlussarbeiten
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Spielend durch die Abschlussarbeit?

Christian Haag hat sich in seiner Bachelorarbeit mit der Genderproblematik in Videospielen auseinandergesetzt. Foto: Markus Möwis.

Christian Haag hat sich in seiner Bachelorarbeit mit der Genderproblematik in Videospielen auseinandergesetzt. Foto: Markus Möwis.

Christian Haag spielt nicht nur gern Videospiele, er hat sich auch in seiner Bachelorarbeit damit auseinandergesetzt. Allerdings mit den Schattenseiten: Der 24-jährige Lehramtsstudent der Anglistik und Geschichte betrachtet darin die Repräsentation von Frauen in der Videospielbranche. Was ihn zu dem Thema gebracht hat und welche Schlüsse er aus seiner Arbeit ziehen kann, verrät er im Interview.

Was spielst du gerne?

Ich spiele am liebsten mit Freunden zusammen. Das kann ein Spiel wie Sea of Thieves sein, ein Rätselspiel, das man gemeinsam spielen kann, oder auch ein Klassiker wie Minecraft. Wenn meine Freunde keine Zeit haben, lege ich gerne storybasierte Spiele wie Uncharted ein.

Welche Tipps kannst du anderen Studierenden geben, die auf der Suche nach dem passenden Thema und der passenden Betreuung für ihre Abschlussarbeit sind?

Wie organisiert man die letzte Phase des Studiums? In unserer Serie berichten Studierende von ihren Abschlussarbeiten.

Am besten ist es, sich an eigenen Interessen zu orientieren. Man muss natürlich abwägen, inwiefern das angedachte Thema geeignet ist. Geht dann vom Thema aus, sucht euch die passenden Dozenten dazu und die Arbeit ist leichter zu bewältigen.
Ihr solltet gewillt sein, euch ausgiebig mit dem Thema zu beschäftigen und das eigene Wissen infrage zu stellen. Also das, was man bisher darüber weiß und was man zu wissen glaubt.

Wie bist du auf das Thema gekommen?

Das war eine relativ spontane Sache. Videospiele haben mich mein halbes Leben begleitet, insofern war der Bereich an sich einfach auszumachen. Ich habe nach etwas gesucht, was sich dazu sagen lässt und was bisher nur wenig oder gar nicht erforscht wurde – das war die Gender-Problematik. Deswegen war für mich schnell klar, dass ich in diese Richtung weiterarbeiten wollte. An dem Thema werde ich auch nach der Bachelorarbeit definitiv dranbleiben.

Welchen Ansatz hast du dafür gewählt?

Der Ansatz ist ein breiter, auch wenn das nicht so geplant war. Ursprünglich wollte ich mich auf die Darstellung von Frauen in Videospielen konzentrieren. Dann habe ich schnell festgestellt, dass man dabei viele wichtige Aspekte vergisst. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, das gesamte Thema der Frauen im Gaming-Bereich aufzugreifen: Wie steht es um weibliche Spieler? Wie sieht es mit weiblichen Videospielentwicklern aus? Wie beeinflussen uns Videospiele? Gerade der letzte Punkt ist eine wichtige Motivation für meine Arbeit. Es geht nicht nur darum, herauszufinden, wie Frauen dargestellt werden, sondern auch, was das für Konsequenzen hat.

Was sind deine Ergebnisse?

Sie sind auf mehrere Weisen ernüchternd. Ich habe festgestellt, dass der bisherige Forschungsstand stark veraltet und methodisch unpassend ist. Es gibt bislang keine Theorie darüber, wie Videospiele uns beeinflussen. In der Forschung wird immer nur auf die bestehenden Ergebnisse aus den Bereichen Fernsehen und Werbung verwiesen.

Insgesamt zeigt sich, dass Gender-Problematiken wenig Beachtung finden. Frauen sind als Videospielcharaktere unterrepräsentiert und meistens sexistisch oder als unterlegen dargestellt. In den letzten Jahren hat sich dahingehend nur wenig verändert. Das gilt auch für Spielerinnen. Sie erfahren in Communities immer noch Exklusion und werden aufgrund ihres Geschlechts teilweise deutlich schlechter behandelt. Bei der Spielentwicklung sieht es ähnlich aus: Nur 22 Prozent der Videospielentwickler sind weiblich. Fast 60 Prozent dieser Entwicklerinnen geben innerhalb der ersten fünf Jahre ihren Job wieder auf oder verlassen die Gaming-Industrie. Auf allen drei Ebenen – Spieler, Entwickler und Inhalt – bestehen massive Probleme. Diese bekommen aber nicht die Beachtung, die sie erhalten müssten.

Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für die Gaming-Community?

Schwer zu sagen. Forschung und Entwicklung werden einerseits mit Ablehnung empfangen und infolgedessen wird gar nicht darauf eingegangen. Andererseits wird das Themenfeld nicht ernst genommen, es fehlt eine forschende und reflexive Haltung. Bevor ich mich ausführlich mit dem Thema beschäftigt habe, war mein Blick darauf ebenfalls nicht geschärft. Ich kann also verstehen, dass man Videospiele blind konsumiert, ohne den Inhalt zu reflektieren. Deswegen denke ich, dass das Thema in der Community selbst noch nicht angekommen ist.

Welche Probleme siehst du hinsichtlich der Beteiligung und der Rolle von Frauen im Gaming-Bereich?

Das größte Problem ist der Ausschluss. Frauen werden in der kompletten Szene marginalisiert. Wie kann das sein, wenn weibliche Spieler fast 50 Prozent der Szene ausmachen? Allerdings wird diese Zahl gern irreführend eingesetzt. Wenn man die Anzahl der Frauen nach Genres und Plattformen weiter unterteilt, stellt sich heraus, dass ihr Anteil im Bereich der Hardcore-Gamer lediglich fünf bis zwölf Prozent ausmacht. Das hat Auswirkungen darauf, wie mit ihnen umgegangen wird und führt schnell zu aktiver und impliziter Exklusion. Sie werden als Minderheit wahrgenommen und ausgegrenzt.

Was muss sich deines Erachtens ändern, damit im Gaming-Bereich eine wirkliche Gleichberechtigung erzielt werden kann?

Ich glaube nicht, dass es “den” helfenden Ansatz gibt. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass Spiele in Zukunft mehr Customization anbieten. Sprich, dass man den Spielern aktiv die Möglichkeit bietet, zum Beispiel als weiblicher Charakter die Story zu erleben. Dieser Ansatz wird mittlerweile schon häufig verfolgt, zum Beispiel bei Mass Effect, Assassins Creed oder Cyberpunk 2077. Er ist aber hauptsächlich auf Roleplaying Games (RPGs) beschränkt. Sinnvoller wäre es, den Herstellern klar zu machen, dass Gender-Stereotyping ein ernst zu nehmendes Problem ist.

Die Gaming-Community reagiert teilweise aber noch sehr gefährlich auf solche Entwicklungen. Als 2018 der Trailer zu Battlefield V veröffentlicht wurde, war eine Soldatin im Setting des Zweiten Weltkriegs zu sehen. Das gab einen regelrechten Shitstorm. Daran lässt sich sehen, dass allein in diesem Bereich viel Arbeit zu leisten ist. Es muss gelingen, eine bessere Atmosphäre für weibliche Spieler und Entwickler zu erzeugen, damit auf Dauer keine Ausgrenzung mehr stattfindet. Wie genau das gehen soll, wird in Communities und bei den Herstellern aktuell diskutiert. Wenn beispielsweise in einer Firma die männliche Sicht dominiert und kein weiblicher Einspruch entstehen kann, ist der Teufelskreis aber kaum zu durchbrechen. 

Wenn ihr Christians Arbeit selbst lesen wollt, lohnt sich ein Blick in Junges Forschen 2. Darin findet ihr die Abschlussarbeit in Kurzform unter dem Titel Gender Issues in Video Games.

Interview: Markus Möwis

1 Kommentare

  1. Soraya sagt

    Super spannendes Thema.
    Ich spiele auch gerne Videospiele und habe selten die Möglichkeit, einen weiblichen Charakter zu spielen.
    Durch die auch im Artikel beschriebenen Probleme bei Communities habe ich nie versucht, mich übers Internet mit anderen Spielern auszutauschen.

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