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Sorgenkind Korea: Bernhard Köppen über die innerkoreanische Grenze

Im Rahmen einer Forschungsreise besuchte Bernhard Köppen die Sonderwirtschaftszone im Diamantgebirge. Nordkorea ist geprägt von einem Führerkult, wie das Denkmal für die Ex-Diktatoren Kim Jong Il und dessen Vater Kim Il Sung zeigt. Foto: privat

Im Rahmen einer Forschungsreise besuchte Bernhard Köppen die Sonderwirtschaftszone im Diamantgebirge. Nordkorea ist geprägt von einem Führerkult, wie das Denkmal für die Ex-Diktatoren Kim Jong Il und dessen Vater Kim Il Sung zeigt. Foto: privat

Er hält die Welt mit seinem Säbelgerassel zurzeit in Schach: Wie schon seine Vorgänger droht nun auch der junge nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un mit einem atomaren Schlag. Keiner weiß, wie gefährlich er wirklich ist. Über die Situation an der koreanischen Grenze weiß Juniorprofessor Bernhard Köppen bestens Bescheid. Seit 2005 forscht der Geograph über diesen hermetisch abgeriegelten Streifen, ist regelmäßig in der Region. Im Gespräch mit UniBlog gab Köppen Einblick in seine Einschätzungen zur aktuellen Situation.

Den atomaren Schlag wird es wohl nicht geben, davon ist Bernhard Köppen überzeugt. Erstaunt ist der Grenzforscher allerdings darüber, dass Kim Jong Un die Sonderwirtschaftszone Kaesong seit mehren Wochen tatsächlich geschlossen hält. „Ich war mir sicher, dass er dies nur wenige Tage anhält und die für Nordkorea wichtige Quelle für Devisen wieder öffnet“. Kaesong ist eine von zwei Sonderwirtschaftszonen an der demilitarisierten Zone in Nordkorea, mit deren Finanzierung Südkorea seit dem Jahr 2000 eine neue Politik der Annäherung gefahren ist. Auf den Gegner zugehen, hieß der neue Ansatz, der als Sonnenscheinpolitik bekannt wurde. Und das nicht aus purem Selbstzweck. Südkorea hat sich in den letzten Jahrzehnten vom Entwicklungsland in eine führende Industrienation gewandelt – für die zwecks Anwerben und Halten ausländischer Investoren nichts schädlicher ist, als in permanenter Kriegsgefahr zu schweben.

Kaesong – in dieser verlängerten Werkbank Südkoreas hatten 123 Unternehmen ihre Produktionsstätten. Allerdings wurden dort eher strategisch unwichtige Dinge produziert, wie Textilien oder Haushaltsgeräte, wie Bernhard Köppen erläutert. Vom Diamantgebirge, der zweiten Sonderwirtschaftszone, die bereits 2008 nach einem tödlichen Zwischenfall wieder geschlossen wurde, konnte sich Köppen vor einigen Jahren ein eigenes Bild machen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes mit der Hanns-Seidel-Stiftung wurde dem Forscher ein dreitägiger Ausflug in diese Touristenzone ermöglicht. „Das war wie in einem Show-Room“, erinnert sich der Geograph. Vieles, wie Hotels war dort auf nordkoreanischem Boden von einem südkoreanischen Investor neu gebaut worden: hohe Preise, Dauerüberwachung der Hotels und Sehenswürdigkeiten, abgeriegelte Straßen, Fotografieren nur mit Erlaubnis – so sah dort der touristische Alltag aus. Mit der normalen Bevölkerung in Kontakt zu kommen, dazu hatten die Besucher keine Chancen, diese ist durch Zäune ausgesperrt. Ins Gespräch kam man nur mit geschultem Überwachungspersonal. Nordkoreanische Dörfer konnte man nur aus der Ferne betrachten.

Wie passen das Einrichten von Sonderwirtschaftszonen und das symbolhafte Aufeinanderzugehen mit der Autarkie-Doktrin des nordkoreanischen Regimes zusammen? „Gar nicht“, so Köppen lapidar. Nordkorea habe sich darauf aus finanzieller Verzweiflung eingelassen. Die Sonderwirtschaftszonen sind daher in Nordkorea auch kein öffentliches Thema. In der zentral gesteuerten Presse werden sie nicht erwähnt. Nordkorea lässt sich für die Aktivitäten in den Sonderwirtschaftszonen mit Pachtgebühren entlohnen. Denn das Land ist bettelarm. Was an Geld vorhanden ist, wird vorrangig in das Militär investiert. Die Bevölkerung selbst leidet in vielen Regionen Hunger. Zwar gebe es sogar Hungersrevolten, die schnell niedergeschlagen werden. Auch eine Opposition sei vorhanden, so Geheimdienstberichte. Das Problem aber sei, dass sich diese Opposition und die Regimegegner mangels Kommunikationsstrukturen nicht organisieren könnten. Auch sei die Bewegungsfreiheit der Nordkoreaner stark eingeschränkt. Bewegen dürfen sich die Bewohner nur innerhalb ihres Landkreises.

Warum Kaesong geschlossen bleibt? Dafür hat Köppen eine mögliche Erklärung parat. Auch an der Grenze zu China bestehen Sonderwirtschaftszonen, die allerdings nicht besonders erfolgreich waren. Deren Ausbau wird derzeit in Kooperation mit chinesischen Partnern wieder vorgenommen. Doch selbst der große Verbündete gehe mittlerweile offiziell auf Distanz zu Nordkorea. Der neue Regierungschef Li Keqiang lässt durchaus mittlerweile kritische Töne vernehmen. Die Entwicklungen an der nord-südkoreanischen Grenze werden den Geographen auch künftig beschäftigen. Denn: „Diese Zone ist für Wissenschaftler unglaublich spannend“.

Kerstin Theilmann

Bernhard Köppen hat seine bisherigen Erkenntnisse zu den Sonderwirtschaftszonen zwischen Nord- und Südkorea selbstverständlich publiziert. Der aktuelleste Aufsatz ist im Journal Quaestiones Geographicae veröffentlicht und steht dort zum Download bereit.