In Deutschland kann man keine Kichererbsen anbauen? Einzelne Menschen können ohnehin nichts verändern? Diese Sätze würde die Landauer Urban-Gardening-Gruppe nicht unterschreiben. Denn sie macht vor, wie ein nachhaltiges Morgen aussehen kann.
Es ist regnerisch und grau, als die zwei Landauer Studierende ein Urban-Gardening-Beet bearbeiten. Jona Edelmann, der Naturschutzbiologie und Soziologie im Zwei-Fach-Bachelor studiert, und Flora Dahlhausen, die im fünften Semester Mensch und Umwelt steckt, macht das bisschen Regen nichts aus. Beide sind es gewohnt, hier bei Wind und Wetter zu gärtnern. “Es kommen oft Leute vorbei und wundern sich”, sagt Dahlhausen lachend. “Aber sobald wir erklären, was wir machen, finden es alle sehr schön.”
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Edelmann erinnert sich: “Eigentlich fing es in der Umweltgruppe an.” Die Gruppe hatte gemeinsam die Dokumentation Tomorrow angesehen. Der Film stellt Möglichkeiten vor, naturgerechte Systeme zur Norm zu machen – zum Beispiel durch Urban Gardening, also den Anbau von essbarem und ökologisch verträglichem Saatgut mitten in der Stadt. An der Ernte dürfen sich alle beteiligen. Jona Edelmann hatte schon Erfahrung damit, kleinere Flächen zu bewirtschaften, und fühlte sich angesprochen: “Wir wollten das Thema in die Gesellschaft bringen. Wenn die Leute hier mit ihren Hunden Gassi gehen, sollen sie sehen können, was für ein Aufwand es ist, Lebensmittel herzustellen.”
Ein langer Weg zum Ziel
Es war aufwendig, die Erlaubnis für das Gärtnern in der Stadt zu bekommen. Seit März 2019 hatten Gruppenmitglieder Gespräche mit der Stadt geführt. Denn um eine Fläche bewirtschaften zu dürfen, brauchten sie zunächst einen Vertrag. Dazu mussten sie mit dem Grünflächenamt sprechen und sich auf eine Fläche einigen. Es dauerte über ein Jahr, bis im Mai 2020 mit dem Pflanzen begonnen werden konnte. “Wir dürfen jetzt auf einer Fläche am ehemaligen Landesgartenschaugelände und auf einer weiteren am Reallabor Queichland arbeiten, wobei wir gerne näher am Zentrum wären”, sagt Dahlhausen. Aufgrund des Vertrages, den sie mit der Stadt hat, darf die Gruppe nur den Rand der etwa 80 Quadratmeter bewirtschaften. Zu den bürokratischen Schwierigkeiten kamen kleinere organisatorische Probleme, viele hatten beispielsweise keine Erfahrung. “Dann mussten wir uns auch noch einig darüber werden, was wir überhaupt anbauen wollten”, sagt Edelmann.
Sowohl er als auch Dahlhausen sind – sieben Monate nachdem die ersten Pflanzen eingesetzt wurden – sehr zufrieden mit der Lösung. Denn aus den anfangs 30 Interessierten hat sich eine kleine Gruppe entwickelt, die sich auch gerne außerhalb der Beete trifft. “Das Projekt ist für uns nicht nur reiner Pragmatismus”, so Edelmann. “Ich glaube, es gehört mittlerweile auch zu unserem sozialen Umfeld dazu.” Das Team ist bunt – Studierende verschiedenster Studiengänge sind dabei und auch in Zukunft willkommen. “Es wäre toll, mehr Menschen zu erreichen, die in Landau wohnen. Wenn Anwohnende mitmachen würden, wäre das ganze Projekt viel sicherer”, sagt Dahlhausen. Sie hofft, dass das Projekt nachhaltig Bestand hat und plant, es weiter auszubauen. Vielleicht wäre mit mehr Mitgliedern aus der Umgebung auch die Erlaubnis zu erreichen, Flächen in der Nähe des Stadtzentrums zu nutzen.

Die Urban-Gardening-Beete sind vielfältig bestückt – von Erdbeeren und Pfirsichen über Chili und Amaranth bis hin zu Zucchini, Kichererbsen und Tomaten.
Ökologie mit Hand und Fuß
“Es geht darum, Akzente zu setzen. Menschen, die sonst wenig darüber nachdenken, woher ihre Nahrung kommt, sollen sich damit auseinandersetzen und vielleicht auch in ihrem Privatleben mehr darauf achten, was sie konsumieren”, sagt Dahlhausen. Für sie ist das Projekt auch ein politisches Statement, weil dadurch ein Zeichen für Regionalität gesetzt wird. “Aber uns ist auch wichtig, dass wir unser Umfeld selbst und vor allem naturnah gestalten”, ergänzt Edelmann.
“Manchmal frage ich mich, was mir mein Studium bringen soll, wenn ich keine lebenswerte Natur um mich herum habe”, sagt Dahlhausen, die sich außerdem noch bei Fridays for Future engagiert. Die Gruppe will nicht nur Spaß haben, sondern sinnvolle Beiträge leisten. Dazu gehört auch, dass die Menschen, die in der Seniorenresidenz neben einer der Flächen leben, eingebunden werden. So wird etwa der Salbei gemeinsam geerntet und zu Tee verarbeitet. Laut den beiden ist der ökologische Lebensstil nicht nur gesund und klimaschonend, sondern bringt die Menschen gleichzeitig dort zusammen, wo man es zunächst gar nicht vermutet hätte.
“Seit wir unsere Lebensmittel selbst anbauen, merken wir, dass wir viel bewusster konsumieren.”
– Jona Edelmann über die Erträge der Beete
Zu schön, um wahr zu sein?
Die Gruppe macht sich keinen Druck, alles perfekt machen zu müssen. So wurden die Beete vor der Nutzung durch die Gruppe teilweise mit Teer ausgelegt, was zwar keine Konsequenzen für die Lebensmittelqualität hat, aber nicht dem ökologischen Anspruch der Gruppe entspricht. Doch deswegen die Beete aufgeben? “Wir versuchen einfach unser Bestes. Und das ging bisher ohne größere Einschränkungen”, sagt Dahlhausen. “Wenn man einen großen Strohballen geschenkt bekommt, braucht man einen Traktor”, ergänzt Edelmann. “Wenn wir das Angebot ausschlagen würden, wäre es schade um das Stroh.” Tatsächlich erhält die Gruppe so viele Sachspenden, dass sie kaum Kosten hat. Zum Düngen gibt es Pferdemist vom Hof nebenan, Dahlhausens Vermieterin stellt ihre Schubkarre zur Verfügung. Wenn ein kostspieligeres Projekt ansteht, gibt es den ein oder anderen Spendenbetrag.
Dennoch wissen längst nicht alle Passant:innen, wozu die Beete da sind und wenn doch, fehlt in vielen Fällen die nötige Umweltbildung, um sie richtig zu nutzen, so Dahlhausen: “Einmal wurde unser Mangold so abgeschnitten, dass nichts nachwachsen konnte. Das war schon traurig. Diese Missgeschicke sind der Grund, warum wir glauben, dass es mehr Bildung in diesem Bereich braucht.” Um solche Erlebnisse zu vermeiden, sind in Zukunft Schilder geplant, die die Pflanzen benennen und erklären, wie diese den Insekten helfen. Ein großes an der Fläche der ehemaligen Landesgartenschaugelände soll über die Gruppe informieren. Nach Corona möchten die Gärtner:innen Workshops abhalten, in denen Insektenhotels gebaut werden sollen. “Seit wir unsere Lebensmittel selbst anbauen, merken wir, dass wir viel bewusster konsumieren. Es wäre schön, wenn das mehr Menschen so gehen würde”, sagt Edelmann.
Gelebte Vielfalt
In den städtischen Beeten wachsen auch Pflanzen, die man klimatisch gar nicht in die Pfalz einsortieren würde. “Hier wächst wirklich viel, was man gar nicht erwarten würde”, sagt Edelmann. Erdbeeren, Pfirsichen, Tomaten, Chili, Zucchini, Kichererbsen und Amaranth. Da sich jede vorbeikommende Person bedienen darf, bleibt selten etwas für sie selbst übrig. Doch darüber freuen sie sich.
Lena Frohn