Roboter, die den Müll rausbringen, Toiletten putzen oder Gäste bei einer Party begrüßen? Noch kein Alltag, aber der Schlüssel zum Sieg für das Koblenzer Team Homer beim RoboCup in Sydney. Beteiligte geben uns Einblick in die faszinierende Arbeit hinter dem Weltmeistertitel.
Roboter als Alltagsgehilfen
“Ich hätte irgendwann auch gerne einen Roboter zu Hause, der Kleinigkeiten macht, die man nicht machen möchte”, beschreibt Raphael Memmesheimer seine Motivation. Er leitete das Team Homer bis Ende 2019 und war zuvor auch als Student daran beteiligt. Außerdem, erklärt er, sei es einfach ein tolles Gefühl zu sehen, wie ein Roboter ausführt, was man vorher einprogrammiert hat. Memmesheimer verließ das Projekt, um sich auf seine Promotion zu konzentrieren und übergab nach einer gemeinsamen Leitung im Jahr 2019 das Amt an Daniel Müller. Die Leidenschaft teilen beide mit den Studierenden, die beim Projekt Homer am Campus Koblenz aktiv sind. Hier sammeln sie erste praktische Erfahrungen damit, Robotern Leben einzuhauchen.
In unserer Serie Aus dem Labor stellen wir Menschen und Projekte vor, die die Forschung voranbringen.
Und die Maschinen können schon einiges – zumindest theoretisch: Würfel stapeln, Toiletten reinigen, den Einkauf erledigen, kellnern oder die Spülmaschine ausräumen. All das haben die beiden Roboter LISA und TIAGo in Koblenz gelernt und bei verschiedensten Wettbewerben vorgeführt. Leider klappt das nicht immer und überall oder benötigt mehrere Versuche. Denn auch scheinbar einfache Bewegungen sind in der Robotik durchaus anspruchsvoll. In der Industrie gehören Roboterarme schon längst zum Standard. Greifarme heben an einem festen Platz die gleichen Gegenstände von A nach B. Im Gegensatz zu Haushaltsaufgaben ist das jedoch recht einfach, da immer dieselbe Bewegung in derselben Umgebung gefordert wird. Wenn der Roboter sich selbst im Raum bewegt und seine Position sowie die Position der Gegenstände in der Umgebung immer wieder neu berechnen muss, wird es schwieriger. Aber die Zukunft lässt hoffen, denn das Team Homer erfreut sich einer engen Bindung an die Forschung in diesem Gebiet.
Robotik am Campus Koblenz
Dass sich die Roboter möglichst gut selbst im Raum orientieren können, ist eine der Hauptaufgaben der Arbeitsgruppe Aktives Sehen. Projekt Homer ist ein praktisches Angebot innerhalb dieser Arbeisgruppe, in dem alle Studierenden des Fachbereichs 4: Informatik ihre Bachelor- und Masterpraktika absolvieren können. Aber auch andere Forschungsarbeiten werden hier angefertigt. Über den ganzen dritten Stock des B-Gebäudes verteilt, unter anderem in einem kleinen Labor im Raum B329, gehen die Teilnehmenden ihrer Arbeit nach – und sind dabei hochmotiviert. “Einige Studierende fangen mit dem Bachelorpraktikum an und sind dann ihr ganzes Studium über darin integriert, weil es ihnen so viel Spaß macht,” hat Memmesheimer festgestellt.
“Wir sorgen dafür, dass die Roboter ihre Umgebung wahrnehmen, sehen und hören können”, erklärt Memmesheimer. Dabei ersetzten spezielle Mikrofone die menschlichen Ohren oder ein Laserscanner die Augen. Lachend fügt Memmesheimer hinzu: “Im Prinzip haben wir gar nicht den mechanischen Hintergrund und bauen die Roboter nur ungerne selbst.” Ihre Stärken liegen eher in der Programmierung der mechanischen Gestelle. Trotzdem haben sie mit LISA einen eigenen Roboter gebaut – und natürlich programmiert. Aktuell hat das Team Homer noch einen zweiten Roboter, TIAGo. Dieser wird ihnen von der spanischen Firma PAL Robotics geliehen. Beide Namen sind Abkürzungen, die Nähe zum Cartoon-Charakter Lisa Simpson ist aber trotzdem nicht zufällig, verrät Memmesheimer.

Ida Germann bringt dem Roboter eine Aufgabe durch Demonstration bei. Danach ist er in der Lage, sie selbstständig auszuführen.
Nicht nur Computerviren schränken den Roboteralltag ein
Die Praktika beginnen im Wintersemester und reichen bis in das folgende Sommersemester hinein. Was genau gemacht wird, hängt immer von den Studierenden und dem Regelwerk des nächsten Wettbewerbes ab, das das Team Homer in aktuelle Foschungsfelder integriert. Zu Beginn des Projekts bekommen die Teilnehmenden erst einmal einen zweiwöchigen Crashkurs. Danach können sie bereits kleinere Programme selbst schreiben. Im Laufe des Semesters treffen sie sich zweimal pro Woche im Labor und besprechen ihre Fortschritte oder Probleme. Anschließend geht es ans Testen: Die Computercodes werden auf die Roboter geladen und die Maschinen werden aktiv. So zeigt sich, ob alles wie geplant funktioniert. “In der Realität gibt es immer wieder Hürden”, erklärt Daniel Müller, der das Team heute leitet, darum sei das Testen unabdingbar. “Ein korrekt geschriebener Code bedeutet nicht zwingend, dass alles funktioniert. Das Testen ist einfach unerlässlich.” Besonders wenn verschiedene Code-Teile von verschiedenen Studierenden zusammengeführt werden. Hier muss alles perfekt passen.
Und wie beeinflussen die derzeitigen Umstände unter der Corona-Krise die Projektarbeit? Einschränkungen gebe es, meint Müller, doch den Fortlauf des Projekts behindere das keineswegs. Viele Arbeiten können die Studierenden von zu Hause machen, die Besprechungen laufen problemlos online. Sogar einzelne Tests sind von zu Hause über eine Art Fernbedienung möglich. Und für größere Tests darf man auch mal einzeln ins Labor.
Titel, Erfolge und verschiedene Wettbewerbe
Die größten Erfolge für das Team Homer sind die Weltmeistertitel beim RoboCup in der Disziplin RoboCup@Home – Open Platform von 2015, 2017, 2018 und 2019. Durch die vielen Wettkampfteilnahmen haben die Teilnehmenden schon viel von der Welt gesehen. Das chinesische Hefei, Nagoya in Japan, Montreal und Sydney beherbegten in den letzen Jahren den RoboCup. Bei der Disziplin RoboCup@Home – Open Platform müssen die Roboter häusliche Alltagsarbeiten in einer gewissen Zeit erledigen; zum Beispiel die Spülmaschine einräumen, Gäste bei einer Party begleiten oder Einkäufe ins Haus tragen. Im Gegensatz du den zwei anderen @home-Kategorien gibt es bei Open Platform keine Einschränkungen beim Bau der Roboter. “Wie beim Autorennsport” beschreibt Memmersheimer die Wettkampfklassen.
Der RoboCup findet seit 1997 jährlich statt und hat, neben der Freude am Wettbewerb, natürlich die technische Weiterentwicklung in der Robotik zum Ziel. Die Erfinder setzten sich seinerzeit das Ziel, 2050 mit einer reinen Robotermanschaft gegen den menschlichen Fußballweltmeister ein Spiel zu gewinnen. Darum steht Fußball auch im Fokus des Wettbewerbs. Zum RoboCupSoccer sind aber inzwischen weitere Wettkampfkategorien hinzugekommen.
Neben dem RoboCup war das Team Homer unter anderem auch beim World Robot Summit, in der European Robotics League und der CRA Mobile Manipulation Challenge äußerst erfolgreich. Wie setzt sich das Team gegen Unternehmensteams durch, die finanziell sicherlich besser dastehen? Neben viel Erfahrungen und der Vielseitigkeit der Roboter betont Memmesheimer besonders die hohe Motivation der Studierenden. “Ich glaube nicht, dass alle Teams im Labor so viel Durchhaltevermögen zeigen.”
Klassenfahrten mit Wettkampfcharakter
“Für mich ist eine Reise zum Wettbewerb wie eine Klassenfahrt früher in der Schule,” offenbart Memmesheimer. “Ein absolutes Highlight mit Spaß, Stress und wenig Schlaf. Aber man nimmt auch eine ganze Menge für seine Zukunft mit. Der Wettkampfstress kann einen gegen so manches im späteren Berufsalltag abhärten. Außerdem lernt man viele Menschen kennen, knüpft internationale Kontakte und bildet Freundschaften.”
Und wie auf einer Klassenfahrt passiert auch hier allerhand Lustiges und Unerwartetes. So benötigte das Team beim RoboCup in Sydney mal eine Toilette, um die Roboter daran zu testen. Also besorgte man sich eine Toilette und da kein Auto zur Verfügung stand, zog man sie auf einem Rollbrett durch die ganze Stadt bis zur Unterkunft – fast wie bei einem Spaziergung mit einem Hund. Bei einem Würfelstapelwettbewerb in Singapur stellte sich spontan heraus, dass der Greifarm in seiner geplanten Form nicht zulässig war. Zum Glück gelang es, ihn spontan mit Essstäbchen und rutschfesten Topfunterstellern doch noch wettkampftauglich zu machen.
Und was steht als nächtes an für das Team Homer? Da wäre natürlich die Teilnahme am RoboCup in Bordeaux 2021. Die Qualifikation dafür besteht nach der abgesagten Weltmeisterschaft 2020 Jahr weiterhin. Und natürlich arbeitet das Team weiter daran, seinen Robotern fehlerfreies Arbeiten beizubringen. Dabei liegt der Fokus besonders auf der Standardisierung und Verallgemeinbarkeit der Roboterhandlungen.
Jan Luca Mies