Promovierende im Interview
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Mangelware Unternehmensethik

Ekaterina Morgenthaler untersucht die ethischen Kompetenzen von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. Foto: Philipp Sittinger

Ekaterina Morgenthaler untersucht die ethischen Kompetenzen von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. Foto: Philipp Sittinger

Was bewegt Führungspersonen in der Wirtschaft zu Entscheidungen, deren Folgen mitunter zu handfesten Skandalen führen? Welche Rolle spielt Ethik in den Studiengängen, die auf solche Positionen vorbereiten? Ekaterina Morgenthaler untersucht in ihrer Dissertation, wie es um die ethische Kompetenz von Studierenden im Bereich Wirtschaftswissenschaften bestellt ist.

Bitte erklären Sie das Thema Ihrer Dissertation in wenigen Sätzen.

Der Arbeitstitel meiner Dissertation lautet Mangelware Unternehmensethik. Eine Untersuchung der ethischen Kompetenzen der Studierenden in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen. Angesichts von Skandalen und Affären in der Wirtschaft hat man den Eindruck, dass Führungskräfte ihre Entscheidungen eher auf einer ökonomischen Basis treffen als auf einer ethischen. Gleichzeitig führt Ethik in den wirtschaftsbezogenen Studiengängen deutscher Universitäten ein Randdasein. Hier werden aber Personen ausgebildet, die später Führungsrollen in der Wirtschaft übernehmen. Und dort werden sie Entscheidungen treffen, die Einfluss auf das Leben vieler Menschen haben. Ich möchte herausfinden, ob sich bei solchen Studierenden Defizite an ethischer Kompetenz erkennen lassen, die sich auf die Ausbildung zurückführen lassen.

Ist Ethik in den Wirtschaftswissenschaften generell nicht angesagt?

Person mit Büchern. Foto: Siora PhotographySie forschen, organisieren Tagungen oder schreiben Fachartikel: In dieser Serie sprechen wir mit Promovierenden an unserer Universität.

Nein, in den USA sieht es beispielweise ganz anders aus. Da wird ethischen Fragestellungen viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ethik ist dort in die betriebswirtschaftliche Ausbildung integriert. Moralvorstellungen werden zumindest diskutiert, teilweise wird ethische Kompetenz auch gezielt ausgebildet. Im Vergleich dazu weisen deutsche Curricula eine deutliche Schwachstelle auf.

Wie gehen Sie methodisch vor?

Mithilfe einer Befragung vergleiche ich Aussagen von Studierenden aus wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an verschiedenen Universitäten. Ein Teil der Probanden hat im Studium ethische Inhalte behandelt, bei anderen kam Ethik im Studium nicht vor. Zunächst habe ich meine Interviewpartner mit zwei Szenarien konfrontiert. In diesen Szenarien standen sie als Unternehmensführer vor einem ethischen Dilemma und mussten eine Entscheidung treffen. Anschließend haben wir die Gründe und Bedingungen für ihre Entscheidungen in einer Diskussion erörtert. Außerdem habe ich die Studierenden nach ihren Studieninhalten befragt. Bekommen sie ethische Inhalte vermittelt und in welcher Form? Ich wollte auch wissen, wie Studierende selbst zu solchen Inhalten stehen. Sind sie direkt an ethischen Fragestellungen interessiert oder sehen sie darin eher eine „ethische Prämie“, die ihnen mehr Profit verschafft? Um die Befragung auszuwerten, habe ich ein Modell entwickelt, mit dem ich die ethische Kompetenz meiner Probanden beurteilen kann.

Was fasziniert Sie an diesem Thema?

Mich interessieren ganz besonders Entscheidungsfindungen, vor allem in komplexen, heiklen Situationen. Zwickmühlen, in denen unterschiedliche Werte aufeinandertreffen und in denen man gar nicht mehr so einfach sagen kann, was richtig und was falsch ist. Daneben reizt mich der Widerspruch zwischen menschlichem Denken und Handeln. Menschen behaupten oft das eine und tun das andere, auch wenn sie topqualifizierte Leute sind, die folgenschwere Entscheidungen treffen. Das hat natürlich auch eine gesellschaftliche Relevanz. Wirtschaftsskandale sind nicht nur brisant, sie resultieren aus Entwicklungen, die weitreichende Konsequenzen haben, etwa für unser Klima.

Haben Sie schon Ergebnisse, über die Sie berichten können?

Nach einer groben Auswertung lassen sich erste Tendenzen erkennen. Ein Zusammenhang zwischen einer mangelhaften ethischen Ausbildung und unzureichender ethischer Kompetenz bestätigt sich offenbar. Ein Ergebnis hat mich überrascht: Wenn man Studierende mit einer niedrigen Kompetenz vergleicht, können diejenigen ohne ethische Inhalte im Studium besser diskutieren als diejenigen, die solche Inhalte hatten. Möglicherweise fällt es ihnen einfacher, ihre Meinung zu sagen, weil sie sich nicht so sehr in Frage stellen. Das werde ich mir aber noch genauer anschauen.

Warum gerade in Landau?

Ich habe mein Thema selbst gewählt und war auf der Suche nach jemandem, der mich dabei unterstützt. Nachdem ich im Bekanntenkreis viel Positives über den Campus Landau gehört hatte, habe ich mich hier umgeschaut und meinen Doktorvater, Professor Dr. Günther Seeber, gefunden.

Wieso haben Sie sich für eine Promotion entschieden?

Ich habe in der Wirtschaft gearbeitet, war aber auch einige Jahre als Dozentin aktiv, bevor ich mit der Promotion begonnen habe. In der Wissenschaft fühle ich mich mehr zu Hause. Mir gefallen intellektuelle Herausforderungen, ich habe einfach Spaß am Denken.

Wie wird Ihre Promotion finanziert?

Glücklicherweise habe ich ein Stipendium vom Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz bekommen.

Was sind Ihre beruflichen Pläne für die Zukunft?

Meine Forschung würde ich gerne weiterführen. Mein Traum wäre natürlich eine Professur. Denn diese Position erlaubt einem eine größere Freiheit bei der Wahl der Forschungsthemen.

Welche Aufgaben ergeben sich noch im Zuge Ihrer Promotion?

Das Kategoriensystem, mit dem ich meine Interviews auswerte, werde ich noch weiter verfeinern. Nach der vollständigen Auswertung der Befragung verschriftliche ich dann meine Ergebnisse.

Was unternehmen Sie, um sich zusätzlich zu qualifizieren?

Ich nehme alle Weiterqualifizierungsangebote der Universität wahr, insbesondere die des Interdisziplinären Promotionszentrums, aber auch Veranstaltungen, die durch das Women Career Center, das KARLA Karrierezentrum, das Gründungsbüro oder das Kompetenzzentrum für Studium und Beruf (KSB) ausgerichtet werden. Das sind für mich etwa zehn zusätzliche Termine pro Semester, aber es lohnt sich wirklich. Am KSB Koblenz werde ich zukünftig auch einen Lehrauftrag übernehmen. Ansonsten schreibe ich Artikel für Fachzeitschriften, etwa über mein Kompetenzmodell, und plane, mein Thema auf einer Konferenz vorzustellen.

Wie organisieren Sie Ihren Arbeitsablauf?

Das richtet sich danach, in welcher Promotionsphase ich gerade bin – ob ich etwa im Feld Daten sammle oder in der Bibliothek recherchiere. Dabei versuche ich immer, mich an den Arbeits- und Zeitplan zu halten, den ich in meinem Exposé aufgestellt habe. Klar dauert manchmal eine Phase länger als gedacht, aber ich versuche, mich im Allgemeinen am Plan zu orientieren, denn das gibt mir Struktur.

Was sollten Studierende mitbringen, die an eine Promotion denken?

Die Hauptfrage ist: Bin ich motiviert genug? Die Promotion ist ein langwieriger Prozess. In den Wirtschaftswissenschaften braucht man durchschnittlich drei bis fünf Jahre. Manch einer denkt sich: „Bestimmt kann ich das schneller!“ Aber es geht einfach nicht schneller, auch weil man viele Gegebenheiten vorher nicht berücksichtigen kann. Und man sollte sich bewusst machen, dass man nicht die ganze Zeit hindurch super motiviert, gut gelaunt und selbstsicher sein wird. Es wird immer Zeiten geben, in denen man sich fragt, warum man das alles angefangen hat. Deswegen sollte man sich schon zu Anfang fragen, wie man sich in solchen dunkleren Phasen motivieren kann. Vielleicht geht es in erster Linie um den Titel oder man möchte die Welt verbessern. Für mich bedeutet die Promotion auch, dass ich unglaublich spannende, interessante Leute treffe und mich als Person weiterentwickle. Außerdem würde ich dazu raten, das Interdisziplinäre Promotionszentrum aufzusuchen. Dort gibt es auch Angebote für Promotionsinteressierte.

Haben Sie einen Tipp, wie man sich selbst motivieren kann?

Es hilft, sich mit anderen Promovierenden zu vernetzen, gerade dann, wenn es mal nicht so gut läuft. Dann lieber weg vom Arbeitsplatz und sich mit anderen austauschen. So sieht man: Ich bin nicht alleine mit meinen Problemen. Man holt sich guten Input von außen und macht weiter.

Das Interview führte Laura Schwinger

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Artikel. Unternehmensethik halte ich für sehr wichtig, denn sie ist sorgt für einen guten Ruf des Unternehmens. “Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter Geschäfte zu betreiben.” Präsident Franklin D . Roosevelt, 1933, bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohn

    Schöne Grüsse aus Osnabrück

    • Ekaterina Morgenthaler sagt

      Herzlichen Dank für deinen Beitrag! Es zeigt mir deutlich, dass die Thematik für die Menschen relevant ist und auf reges Interesse stößt. Unter die Aussage von Herrn Roosevelt kann ich meine Unterschrift setzen und sollte sie in meine Arbeit als Kraftargument reinbringen Danke! Es wäre wirklich toll, wenn wir hier alle zusammen etwas zu bewirken versuchen.

      Schöne Grüße aus Zweibrücken!
      Ekaterina Morgenthaler

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