Aus dem Labor

Liebesbriefarchiv in Koblenzer Unibibliothek ist einmalig in Deutschland

Das Liebesbriefarchiv von Prof. Dr. Eva Wyss umfasst heute etliche Korrespondenzen per Brief, E-Mail, SMS oder Messenger. Foto: Adrian Müller

Das Liebesbriefarchiv von Prof. Dr. Eva Wyss umfasst heute etliche Korrespondenzen per Brief, E-Mail, SMS oder Messenger. Foto: Adrian Müller

Seit 2012 forscht und lehrt die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Eva Lia Wyss am Campus in Koblenz. Mit ihr kam auch das Liebesbriefarchiv mit an die Universität. Ihre Sammlung an Briefen, E-Mails, SMS, Zetteln und inzwischen auch einigen What’s App-Nachrichten ist einmalig in Deutschland. Es gibt Aufschluss über Liebeskonzepte, gesellschaftliche Diskurse, Geschlechterrollen und ein sich änderndes Schreibverhalten über die Jahrzehnte hinweg. 

Prof. Dr. Eva Lia Wyss. Foto: Adrian Müller

Prof. Dr. Eva Lia Wyss. Foto: Adrian Müller

Ein Liebesbriefarchiv. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Das Archiv gibt es seit 1997, also ich anfing, aus Neugierde Liebesbriefe zu betrachten, weil sie im sprachwissenschaftlichen Kontext nicht erforscht waren. Es gab nur zwei historische Quellen zu diesem Bereich. Ich konnte daraufhin in nur einem halben Jahr über 2000 Briefe sammeln und habe dann darüber an der Universität in Zürich habilitiert. Inzwischen besteht das Archiv aus 8800 Liebesbriefen, die ältesten aus dem 19. Jahrhundert. Hinzu kommen E-Mails, SMS, kleine Zettel und What’s App-Nachrichten. Da ich bis 2012 in Zürich geforscht habe, ist bis jetzt überwiegend Schweizer Material dabei.

Was ist das Besondere an diesem Projekt?

Es gibt nichts Vergleichbares in Deutschland. Wir haben mit dem Archiv ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in diesem Bereich. Es gibt zwar ein SMS-Archiv an der Universität Duisburg-Essen und ein Kriegsbriefarchiv in Berlin, aber unsere Sammlung an Liebesbriefen an der Universität Koblenz-Landau ist einmalig.

Werden heute, im elektronischen Zeitalter, denn überhaupt noch Liebesbriefe geschrieben?

Die Schreibpraktiken haben sich in der Tat geändert, Briefe werden fast nur noch für herausragende Momente wie Jubiläen oder Geburtstage geschrieben. E-Mails haben den Brief und die Handschriftlichkeit abgelöst. Außerdem kommt es derzeit zu weiteren Veränderungen durch Kurzmitteilungen per SMS oder anderen Messenger. So gibt es im Archiv zum Beispiel auch kleine Mitteilungen, die während der Arbeitszeit elektronisch verschickt wurden. Man ist da heute flexibler.

Das Liebesbriefarchiv befindet sich in der Bibliothek am Campus in Koblenz. Foto: Adrian Müller

Das Liebesbriefarchiv befindet sich in der Bibliothek am Campus in Koblenz. Foto: Adrian Müller

Ist das denn nicht furchtbar unromantisch?

Eine elektronische Liebesnachricht kann durchaus etwas sehr Schönes sein, sie schlägt ein wie ein Blitz, ist plötzlich da und begeistert, ohne dass man lange auf einen Brief wartet. Ob dies nun unromantisch ist, liegt an unserer eigenen Betrachtungsweise. Wir haben heute ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Thema, da wir ein Mehr an Wissen über Beziehungen haben, wie sie funktionieren oder auch wie wir sie uns wünschen würden. Auch gehen wir sehr rational in der Liebesauswahl vor. Das ist das Unromantische. Gleichzeitig haben wir aber auch nach wie vor die idealisierte Idee von allumfassender Liebe und Glück in unserem Denken. Das war früher anders. Genau diese Veränderungen aber kann uns die Betrachtung der Liebesbriefe offen legen.  

Sie sprechen die Forschung an. Welche Relevanz hat das Archiv hierfür?

Die Serie

Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.

Alle Artikel aus dieser Serie

Es gibt verschiedene Ebenen der Relevanz. Zunächst einmal sind Liebesbriefe Texte, die von jedem geschrieben werden, von normalen Menschen. Für deren Sprache und Texte interessiert sich die Sprachwissenschaft, schaut was sie wollen, in welcher Situation sie sich befinden und wie das private Leben aussieht, wie sie mit Beziehungen und dem Leben umgehen. Es sind authentische Abbilder von realer Kommunikation. Hierdurch haben wir Einblick ins Alltagsleben und können die veränderten Liebeskonzepte, Frauenbilder, Geschlechterrollen oder auch den Umgang mit Sexualität betrachten. Außerdem erkennen wir, wie sich das Schreiben im Lebensalter verändert, wie ist es zum Beispiel in der Jugend im Vergleich zum Alter. All das zeigt uns, wie sich die Gesellschaft verändert.

Gibt es denn einen besonders schönen Liebesbrief?

Es gibt viele tolle und auch lustige Liebesbriefe. Alle sind sehr unterschiedlich, haben aber eine Sache gemeinsam, nämlich, dass sie für eine gewisse Person in einer ganz bestimmten Situation geschrieben wurden, also sehr individuell sind. Da kann man als Außenstehender nicht sagen, dass es einen Schönsten gibt. Für den Empfänger ist es immer etwas ganz Besonderes und Schönes.

Haben Sie selbst auch schon mal einen Liebesbrief geschrieben?

Ja, aber nicht archiviert.

Hannah Wagner

Seit 2012 lehrt die Sprachwissenschaftlerin am Campus in Koblenz. Foto: Adrian Müller

Seit 2012 lehrt die Sprachwissenschaftlerin am Campus in Koblenz. Foto: Adrian Müller

Prof. Dr. Wyss sammelt Liebesbriefe aller Generationen und freut sich besonders über Studierende, die ihre Liebesbriefe (eigene und auch solche der Eltern und Großeltern etc.) einreichen. Diese werden anonymisiert archiviert. Weitere Informationen zum Archiv, der Forschung und Frau Wyss finden sich auf ihrer Homepage.

2 Kommentare

  1. Maria Johannes sagt

    Guten Tag, sehr geehrte Frau Prof. Dr. Wyss!

    Mein Name ist Maria Johannes. Ich bin 84 Jahre alt und seit Februar dieses Jahres nach 60 Ehejahren Witwe.

    Seit dem Tod meines Mannes dienen seine Briefe mir zur Trauerbewältigung.

    Diese vor der Eheschließung geschriebene Briefe umfassen den Zeitraum 1947-1956. Sie sind ein lückenloses Zeitdokument und gleichzeitig Bild eines Reifeprozesses eines Menschen – hin vom Jungmann zum Ehemann.

    Die Briefe zeichnen sich durch große Verantwortung und Einfühlungsvermögen an die acht Jahre jüngere Briefe-Empfängerin aus und sind vielfach mit Versen durchsetzt.

    Durch Zufall bin ich auf ihre Internetseite Liebesbriefarchiv gestoßen, lese immer wieder ihren Aufruf zur Einsendung solcher Briefe, frage mich, ob ich durch die Überlassung meiner Briefe einen Beitrag zur sprachwissenschaftlichen Forschung leisten kann.

    Ich freue mich auf eine Antwort.

    Mit freundlichen Grüßen

    Maria Johannes

    • Prof. Eva Wyss sagt

      Sehr geehrte Frau Johannes,

      Herzlichen Dank für Ihr Interesse. Sie könnten uns über die offizielle E-Mail-Adresse: wyss@uni-koblenz.de kontaktieren. Auf der Webseite finden Sie zudem weitere Informationen zum Liebesbriefarchiv:liebesbriefe.wordpress.com.

      Mit freundlichen Grüssen,
      Eva L. Wyss

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