Uni-Menschen

Im Namen des Volkes: Ehrenamt als Richter

Ist ein echtes Urgestein am Koblenzer Campus und schreibt Ehrenamt in seinem Leben groß: Personalratsvorsitzender Hans-Josef Becker. Foto: Marius Adam

Ist ein echtes Urgestein am Koblenzer Campus und schreibt Ehrenamt in seinem Leben groß: Personalratsvorsitzender Hans-Josef Becker. Foto: Marius Adam

Hans-Josef Becker schreibt ehrenamtliches Engagement in seinem Leben groß: Der 61-jährige Personalratsvorsitzende am Standort Koblenz engagiert sich seit seiner Jugend in Vereinen und Verbänden. Nicht ohne Folgen: Dank seiner Erfahrung wurde ihm 2011 der Posten eines ehrenamtlichen Richters am Sozialgericht angeboten. Eine Aufgabe, die auch für seinen Job an der Universität ein Gewinn ist. 

Schon immer war er engagiert, wollte die Gesellschaft mitgestalten und Gutes für seine Mitmenschen tun. Als Jugendlicher war Hans-Josef Becker in der katholischen Jugend aktiv, später dann im Vorstand des Turnverbands Mittelrhein. „Ich setze mich einfach gerne für andere ein und möchte Dinge verändern“, erklärt der 61-jährige Universitätsmitarbeiter. Letzteres hat ihn schon früh in seinem Berufsleben dazu veranlasst, Gewerkschaftsmitglied bei ver.di zu werden. Heute ist er dort ehrenamtlicher Vorsitzender im Landesbezirk Rheinland-Pfalz, Koblenz, für den Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Ein Urgestein am Campus in Koblenz

Beckers Engagement hatte auch Auswirkungen auf seine Arbeit an der Universität Koblenz-Landau: Eingestellt wurde Becker 1989 als Projektassistent im Fachbereich Informatik, als der Standort Koblenz noch eine Erziehungswissenschaftliche Hochschule war. Nach fünf Jahren übernahm er sein erstes Ehrenamt an der Universität: Er wurde örtlicher Personalratsvorsitzender. Für diese Funktion ist der heute 61-jährige seit 2004 ganztags freigestellt, bereits seit 1998 ist er außerdem stellvertretender Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Universität Koblenz-Landau. Während seiner Arbeit ist er täglich mit Fragen zu Kranken- und Rentenversicherung konfrontiert. Er ist Experte für gesetzlichen Bestimmungen der zahlreichen Beschäftigten der Universität und hat ein offenes Ohr für ihre Anliegen. 2011 wurde Becker zum Richter am Sozialgericht Koblenz berufen – und das, obwohl er keine juristische Ausbildung hat. Ein Jahr später ging er in selbiger Funktion zusätzlich an das Arbeitsgericht Koblenz. “Beide Aufgaben begleite ich ehrenamtlich”, berichtet er.

Ein Urteil im Namen des Volkes

Zugeordnet ist Becker der fünften Kammer des Sozialgerichts, die sich mit Verfahren im Bereich Krankenversicherung, Pflegeversicherungsgesetzen und gesetzlicher Rentenversicherung beschäftigt. Neben je einem hauptamtlichen Richter am Sozial- und Arbeitsgericht gibt es zwei ehrenamtliche Richter, von denen einer Arbeitnehmer-, der andere Arbeitgeberinteressen vertritt. Becker erklärt den Hintergrund dieses Systems: „Urteile an deutschen Gerichten werden im Namen des Volkes gesprochen, deshalb kommen zwei Richter auch direkt aus der Bevölkerung.“ Als Gewerkschaftsmitglied und Personalratsvorsitzender ist Becker Vertreter der Arbeitnehmer und kann das Gesetz in diesem Sinne auslegen und aktiv zur Urteilsfindung beitragen.

Eine verantwortungsvolle Aufgabe

„Einmal im Quartal werde ich berufen und bin dann einen ganzen Tag am Gericht. In der kurzen Zeit behandele ich eine ganze Reihe von Fällen“, erzählt Becker. Hat eine Person vergeblich Beschwerde gegen die Entscheidung einer Behörde eingelegt oder konnte man sich im Vorfeld nicht einigen, kann gerichtlich vorgegangen werden. Nachdem der Richter den Grund für die Auseinandersetzung dargelegt hat und alle Beteiligten angehört wurden, beginnt die Entscheidungsfindung. „Nach der Anhörung treffen sich die drei Richter zur Beratung und stellen ein Urteil fest“, erklärt Becker. Da dieses mehrheitlich getragen werden muss, kann es durchaus sein, dass die zwei Ehrenamtlichen den hauptamtlichen Richter überstimmen. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, wie Becker findet: „Wir entscheiden über wichtige Angelegenheiten, die das Leben von Menschen beeinflussen. Da ist es gut, dass ich Erfahrung in dem Bereich mitbringe.“ Schließlich stehen die behandelten Themen auch in seinem beruflichen Alltag auf der Tagesordnung. „Ich lasse aber nicht nur meine bisherigen Erfahrungen in dieses Ehrenamt einfließen, sondern lerne auch für mich selbst und meinen Job dazu.“ So kann Becker als örtlicher Personalratsvorsitzender inzwischen noch sehr differenzierter zu speziellen Themen Auskunft geben.

Ehrenämter als Gewinn für die Gesellschaft

Wenn sich Becker nach etlichen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeiten in einer Sache sicher ist, dann dass „Ehrenämter mehr als wichtig für die Gesellschaft sind”. Der 61-Jährige wünscht sich, dass noch mehr Menschen für diese Aufgaben zu begeistern sind: „Es tut einfach gut, Gutes zu tun und zu sehen, dass es Früchte trägt.” Becker verfolgt dieser Devise nun schon sein ganzes Leben und ist dem Ganzen noch lange nicht überdrüssig. Gerade erst wurde er für eine zweite Amtszeit am Sozialgericht vorgeschlagen. Natürlich hat er nicht abgelehnt.

Hannah Wagner