Uni-Menschen
Kommentare 1

Politiker und Student in einer Person

Neben seinem Studium am Campus Landau sitzt Felix Herkens für die Fraktion der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Er ist der erste grüne Direktkandidat aus seinem Wahlkreis Pforzheim. Foto: Lena Lux

Neben seinem Studium am Campus Landau sitzt Felix Herkens für die Fraktion der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Er ist der erste grüne Direktkandidat aus seinem Wahlkreis Pforzheim. Foto: Lena Lux

Ein Fulltime-Job als Politiker und gleichzeitig ein Studium – das klingt nach ungeheuer viel Arbeit. Felix Herkens hat sich auf diesen Spagat eingelassen. Der Student der Sozial- und Kommunikationswissenschaften hat bei der Landtagswahl im März 2021 ein Direktmandat für die Grünen erobert. Ob ihn die Arbeit in der Politik nicht manchmal erschlägt, welche Themen ihm am Herzen liegen und was die Politik besser machen könnte, das verrät der junge Landtagsabgeordnete im Interview.

Woher kommt deine Begeisterung für das politische Zeitgeschehen?

Felix Herkens: Ich habe mich durch meinen Vater relativ früh mit Politik beschäftigt. Seit ich denken kann, war er gewerkschaftlich aktiv. Mit fünfzehn Jahren wollte ich dann selbst mitmachen und bin Mitglied bei ver.di geworden. Das waren meine politischen Anfänge. Daraufhin habe ich begonnen, mich über die verschiedenen Parteiprogramme zu informieren. Zwei Jahre später bin ich der Grünen Jugend beigetreten. 

Du hast den Fraktionsvorsitz für die Grünen im Pforzheimer Gemeinderat inne. Wie kann man sich deine Arbeit vorstellen und was gefällt dir daran am besten? 

Felix: Seit der letzten Wahl bin ich Fraktionsvorsitzender, schon fünf Jahre bin ich Mitglied im Gemeinderat. Einfach gesagt wird dort alles entschieden, was die Stadt betrifft. Das ist sehr vielfältig. Zum Beispiel diskutieren wir darüber, wo Abwasserrohre verlegt werden sollen oder ob der Bau einer Kita notwendig ist. Im Kommunalparlament habe ich die Möglichkeit, die eigene Umgebung mitzugestalten. 

 Foto: ColourboxIn unserer Serie Uni-Menschen stellen wir euch interessante Persönlichkeiten vor, die an der Universität Koblenz-Landau studieren und arbeiten.

Warum die Grünen?

Felix: Ich habe mich vor allem aus zwei Gründen für die Grünen entschieden: Es fängt bei Umweltschutz und der Basisdemokratie an. Seit jeher sind das Kernthemen der Grünen. Der zweite Grund betrifft die Förderung der jungen Menschen. Bei den Grünen hat man früh die Möglichkeit mitzumachen. Ich wurde auch mit meinen damals gerade mal 17 Jahren immer ernstgenommen, ich bin sogar schnell in den Kreisvorstand gekommen. Alter spielt keine Rolle. Von Freund:innen, die Mitglied in anderen Parteien sind, habe ich gehört, dass es lange dauern kann, bis man Verantwortung übernehmen darf. Bei den Grünen bekommen junge Menschen die Möglichkeit, über die politische Zukunft zu entscheiden.

Welche Themen liegen dir besonders am Herzen? 

Felix: Gewerkschaftliches hat mich schon immer auf meinem politischen Weg begleitet. Noch heute bin ich im DGB-Kreisvorstand. Das Thema Arbeit und Transformation der Wirtschaft ist mir besonders wichtig. Wie wird die Arbeit in fünf, zehn oder 50 Jahren geregelt sein? Das darf die Politik nicht außer Acht lassen. Den Strukturwandel in der Arbeitswelt möchte ich so zivil gestalten wie nur möglich. Was damit einhergeht, ist der Sozialbereich. Man muss auf aktuelle Problematiken wie Jugendarbeitslosigkeit eingehen. Nicht nur sollte sich die Politik mehr solchen Themen widmen, sondern auch die Menschen, die solche Entscheidungen betreffen, sollten in den Prozess eingebunden werden. Wenn man die Menschen nicht unterstützt, verliert man sie schnell an radikale Parteien wie die AfD.

Wie gehst du mit Kritik an deinen Positionen um? 

Felix: Gegenwind gehört zum demokratischen Prozess dazu. Man sollte sich immer selbstkritisch hinterfragen, offen für Kritik sein und diese konstruktiv äußern. Vor allem  junge Menschen nervt es, dass in der Politik verbissen auf Meinungen beharrt und so ein konstruktiver Austausch verhindert wird. Man redet gar nicht miteinander, sondern übereinander. Das ist überholt und es stört diejenigen, die Ergebnisse sehen wollen.

Du engagierst dich ehrenamtlich als Schiedsrichter im Blindenfußball. Kannst du von dieser Arbeit im politischen Bereich profitieren? 

Felix: Ja, meine Arbeit bereichert mich ungemein. Der Anspruch von uns Schiedsrichtern ist es, das Thema Inklusion in die Gesellschaft zu tragen. Bei vielen Entscheidungen in der Politik wird bewusst oder unbewusst Inklusion ausgeklammert. Als Schiedsrichter im Blindenfußball bin ich nahe an diesen Problemen dran. Deswegen weiß ich zum Beispiel, dass es mehr barrierefreie Bushaltestellen geben sollte. Ich komme mit Menschen aus ganz Deutschland zusammen und führe interessante Gespräche. Diese Eindrücke kann ich in meine politische Tätigkeit einfließen lassen.

Du bekommst also ein Gespür dafür, welche Themen behandelt werden sollten? 

Felix: Definitiv. Ich habe ein Gefühl dafür, welche Themen zu kurz kommen und was häufig nicht bedacht wird. Unsere Bundestagskandidatin, Stephanie Aeffner, sitzt im Rollstuhl. Es war uns bis heute nicht möglich, ein barrierefreies Büro für sie zu organisieren. Das ist menschenunwürdig.

Dein Terminplan ist bestimmt ziemlich voll. Wie bekommst du Studium, politisches und ehrenamtliches Engagement unter einen Hut?

Felix: (lacht) Sicherlich hat mein Studium das eine oder andere Mal darunter gelitten. Das werde ich auch nicht in Regelstudienzeit abschließen. Aber die Entscheidung, der Politik einen höheren Stellenwert einzuräumen, habe ich nie bereut. Die Erfahrung, die ich in dieser Zeit sammeln durfte, kann man mit nichts aufwiegen. Natürlich ist es mir aber wichtig, mein Studium zu beenden. Politik ist immer ein Wagnis. Einen Abschluss in der Tasche zu haben, gibt einem Sicherheit.

Bist du stolz auf das, was du schon geleistet hast? Oder kannst du es oft gar nicht realisieren? 

Felix: Nach der Wahl verging eine gewisse Zeit, bis ich wirklich realisiert habe: Ich bin jetzt Landtagsabgeordneter und habe den Wahlkreis direkt gewonnen. Das ist schon krass. (lacht) Pforzheim war immer ein schwarzer Wahlkreis. Niemand hat kommen sehen, dass wir ein Direktmandat gewinnen. Letztes Jahr hat die AfD gewonnen, da bin ich dieses Jahr umso stolzer, es ihr wieder abgenommen zu haben. (lacht) Der erste grüne Abgeordnete zu sein, ist schon Wahnsinn.

Erlebst du viele Shitstorms in den sozialen Medien? 

Felix: Es ist überdurchschnittlich, was grün engagierte Politiker:innen abbekommen. Gerade aus der rechten Ecke. Frauen haben es prinzipiell schwerer. Sie werden auch sexistisch angegangen. Das passiert fast ausschließlich auf Facebook, dort gibt es ein immenses rechtes Troll-Netzwerk. Da gelangt man schon mal in deren Fadenkreuz und das ist unangenehm. Wichtig ist, sich das nicht zu Herzen zu nehmen. Wenn es aber in eine Richtung geht, wo ich Gewalt angedroht bekomme, scheue ich mich nicht davor, das zur Anzeige zu bringen.

Was erhoffst du dir von deinem Engagement, gerade jetzt auch im Landtag? 

Felix: Vor der Wahl war der Altersdurchschnitt im Landtag hoch. Pforzheim wurde von einem AfDler und einem FDPler vertreten. Ich wollte der jungen Generation in Pforzheim endlich eine Stimme geben, um die Politik auf unsere Themen aufmerksam zu machen. In meiner Fraktion gibt es immer mehr junge Leute. Wir als Grüne planen, das Wahlalter herabzusenken, um mehr Partizipation zu erreichen. Außerdem hält sich in unserer Partei das Männer-Frauen-Verhältnis nahezu die Waage. Das ist leider nach wie vor eine Seltenheit. 

Wie stellst du dir deine Zukunft nach der Uni vor?

Felix: Ich bin jetzt für fünf Jahre gewählt. Meine Gemeinderatszeit dauert bis 2024 an. Was in fünf Jahren ist, weiß niemand. Ich will aber auf jeden Fall weiter Politik machen, egal in welcher Form. Das macht mir erstens großen Spaß und zweitens kann ich das auch gut. (lacht) 

Interview: Elena Panzeter

1 Kommentare

  1. Tim Weber sagt

    Hallo ihr Lieben,

    auch wenn es, hinsichtlich meiner langen Studienzeit peinlich ist, war das der erste Artikel, den ich von euch gelesen habe, aber umso wichtiger finde ich, dann auch einen Kommentar zu schreiben, um euch und auch dir, Felix, mitzuteilen, dass ich eure und deine Arbeit großartig finde.
    Mehr denn je, ist es wichtig, dass wir, die jungen Menschen, uns zu Wort melden und damit den Druck gegenüber den älteren Generationen, die aktuell die Mehrheit der Plätze in entscheidenden Ämter innehaben, zu erhöhen.
    Es erfreut mich sehr zu hören, dass es Menschen wie dich gibt, Felix, die einfach machen, statt sich sagen zu lassen, dass man alleine ja nichts ausrichten kann und ich freue mich, dass du diesem Weg treu bleiben möchtest. Lass dich nicht unter kriegen!

    Und danke an das Redaktionsteam der LaUni, insbesondere hier Elena Panzeter, für das Interview, welches du geführt hast. Ohne dich hätte ich bzw. Menschen, die den Artikel gelesen haben, nichts von dem Engagement Einzelne:r mitbekommen.

    Ich wünsche euch einen wundervollen Tag.

    Liebe Grüße
    Tim

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert