Seit Dezember 2019 sitzen im Landauer Studierendenparlament deutlich mehr Studentinnen als zuvor. Der Grund? Club Marta*, eine junge und aufgeweckte Gruppe von Frauen, die mehr Repräsentation in der Hochschulpolitik einfordert. Im Uniblog erklären die Martas*, mit welchen Strategien und Aktionen sie dafür sorgen wollen, dass alle Geschlechter Gehör finden.
Ende November 2019 sitzen drei Studentinnen in einer Landauer Dönerbude und essen Falafel. An diesem Nachmittag wird ein kleines Stück Geschichte für den Landauer Unikosmos geschrieben. Denn statt über Putzpläne und Weihnachtsferien sprechen die drei über die anstehenden Wahlen für das Studierendenparlament, kurz StuPa, im Dezember. Im Wintersemester 2019 sind 72% der Landauer Studierendenschaft weiblich. Im StuPa gilt allerdings keine Parität. Das Geschlechterverhältnis ist nicht daran gebunden, die Studierenden zu repräsentieren und tut es deshalb wie so häufig in der (Hochschul-)Politik auch nicht. Die drei wollen das ändern – die Idee für Club Marta* ist geboren.
In unserer Serie Ehrenamt: Studis engagiert zeigen Studierende, wie man zwischen Stundenplan und Initiative die Balance hält.
Nur wenige Wochen später zieht die neue StuPa-Liste – namentlich inspiriert vom wachmachenden Studigetränk Club Mate – nach einem aufregenden Wahlkampf erfolgreich in das Parlament ein. Seitdem vertritt sie dort als zweitstärkste Liste die Interessen der Studierenden. In ihrem Wahlprogramm beschreibt sich die junge Gruppe selbst als “unabhängig und wach für die Studierendenschaft”. Sie fordern Fortschritt jenseits dröger Debatten, die mit jeder Legislaturperiode im StuPa wiederkehrten – offenbar ein Erfolgsrezept. Mit ihrer Forderung nach inklusiverer Kommunikation der Universitätsgremien gewinnen sie in ihrem ersten Wahlkampf viele internationale Studierende für sich. Und tatsächlich haben sie mit ihrer politischen Beteiligung im Parlament dazu beigetragen, dass offizielle E-Mails zahlreicher universitärer Anlaufstellen neben Deutsch inzwischen auch auf Englisch versandt werden.
Mehr Mut zum Lautsein
Von Nachhaltigkeit bis Campuskultur liegt Club Marta* vieles am Herzen. Ganz oben auf der Liste ihrer Anliegen stehen Gleichstellungsfragen. Nicht nur, doch eben auch im Hinblick auf das Gehörtwerden aller Geschlechter. “Den anderen Fraktionen im StuPa ist das auch wichtig, aber wir haben von Anfang an sehr gezielt FINTA*-Personen (Anm. d. R.: Frauen, Inter-, Nicht-binäre und Trans- und Agender-Personen) angesprochen. Da mussten wir keine Versprechungen machen, sondern konnten unseren Einsatz für das Thema im Wahlkampf direkt vorleben”, so Selina Rombach. Sie studiert im siebten Semester Mensch und Umwelt und hat Club Marta* mit aufgebaut.
Eine zentrale Baustelle: FINTA*-Personen die Angst davor nehmen, sich in traditionell männlich dominierten Gremien selbstbewusst zu äußern. “Solche Hemmungen liegen uns nicht in den Genen, sondern sind vor allem sozialisiert. Wenn kleine Mädchen auf dem Spielplatz selbstbewusst und bestimmend auftreten, hören sie oft ‘sei mal nicht so zickig’ oder ‘sei mal nicht so laut'”, so Rombach. “Bei Jungs dagegen ist es okay oder wird sogar gelobt, wenn sie den Chef spielen.” Als Folge würden Debatten im privaten wie auch im öffentlichen Raum häufig vorrangig von Männern geführt – weil sie gelernt haben, dominanter aufzutreten, während Frauen sich eher zurücknehmen.
Um dem etwas entgegenzustellen, veranstalteten einige Marta*s dieses Jahr ein FINTA*-Treffen in Kooperation mit Mitgliedern anderer Listen und des AStAs. Dort konnten sich FINTA*-Personen, die an der Landauer Hochschulpolitik beteiligt oder interessiert sind, über Unsicherheiten, Ängste und positive Erfahrungen austauschen. Clara Determann, Masterstudentin der Umweltwissenschaften, ist seit dem Wintersemester aktives Mitglied bei Club Marta* und seit den letzten Wahlen im StuPa mit dabei. “Diese Treffen sind deswegen so schön, weil FINTA*-Personen aus verschiedenen Gruppen zusammenkommen und sich gegenseitig ermutigen und bestärken”, erzählt sie.
Kreiden gegen das Patriarchat

Mit Straßenkreide gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum: Auch außerhalb des StuPas engagieren sich Club Marta für feministische Themen. Foto: Melissa Muhr.
Aber auch Studierende, die selbst nicht im Parlament Platz nehmen wollen, können sich bei Club Marta* beteiligen. Die Marta*s, wie sie sich selbst nennen, wollen auch außerhalb ihrer politischen Arbeit Aktionen im Sinne ihrer Leitthemen organisieren. Im Vorlauf zum diesjährigen Frauenkampftag am 8. März informierte die Gruppe beispielsweise auf sozialen Medien über Catcalls. Damit sind jene unaufgeforderten Kommentare im öffentlichen Raum gemeint, die von den betroffenen, überwiegend weiblich gelesenen Personen oft als unangenehm und sexuell übergriffig empfunden werden. Nach dem Vorbild anderer Städte sammelten sie Geschichten solcher Vorfälle in Landau und machten sie mit Straßenkreide in der Innenstadt sichtbar. Fotos der Aktion posteten sie auf ihrem Instagram-Kanal unter den Hashtags #catcallinglandau und #stoppbelästigung. “Wer Lust hat, sich der Planung und Umsetzung solcher Aktionen zu beteiligen, kann sich jederzeit bei uns melden”, so Determann.
Eine Plattform für alle
Club Marta* ist wichtig zu betonen, dass ausnahmslos jede:r mitmachen kann, der oder die sich mit den Werten der Gruppe identifiziert. Unabhängig von Studiengang, Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe oder Religion sind alle willkommen. Mehr noch: Die Gruppe wünscht sich mehr Diversität. “Wir bilden das Spektrum der weißen Cis-Frauen sehr gut ab. Aber es gibt noch so viele andere Sichtweisen an der Uni, für die wir eigentlich nicht sprechen können und wollen”, so Determann. “Alle haben das Recht mitzubestimmen, wofür ihre Semesterbeiträge genutzt werden. Wir wollen andere ermutigen, von diesem Recht Gebrauch zu machen.” Wer mit Club Marta* die Hochschulpolitik aufmischen will, erreicht die Gruppe per E-Mail oder über Facebook, Instagram, und Twitter. Am 12. Mai findet außerdem ein digitales Neulingstreffen statt, eine Einladung per Univerteiler folgt.
Die Ungezwungenheit ihrer Entstehungsgeschichte – von vermeintlich wahnwitzigen Ideen in der Dönerbude direkt ins Parlament – haben die Marta*s jedenfalls beibehalten. “Die anderen kochen auch nur mit Wasser”, weiß Rombach heute. Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass das Kochen jahrhundertelang den Frauen aufgebürdet wurde. Denn vielleicht kochen auch sie nach wie vor nur mit Wasser – aber sie wissen, wie man etwas Aufregendes daraus macht.
Annika Namyslo