Kolumne
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Freundschaften ohne Grenzen

Mit dem Beginn eines Studiums kommt es oft zur räumlichen Trennung von Freund:innen. Außerdem werden Lebensläufe individueller. Manche Freundschaften haben trotzdem Bestand, andere nicht. Uniblog-Autorin Lena Frohn denkt in unserer Kolumne über Selbstentfaltung, Grenzen und Konstanten nach. Foto: Lena Frohn

Mit dem Beginn eines Studiums kommt es oft zur räumlichen Trennung von Freund:innen. Außerdem werden Lebensläufe individueller. Manche Freundschaften haben trotzdem Bestand, andere nicht. Uniblog-Autorin Lena Frohn denkt in unserer Kolumne über Selbstentfaltung, Grenzen und Konstanten nach. Foto: Lena Frohn

Vor zwei Jahren entstand in der Freundesgruppe unserer Reporterin der Witz, im Rentenalter eine Kommune zu gründen. Heute blickt sie auf ihre engen Freund:innen und merkt, dass sie viele lange nicht gesehen hat. Durch die verschiedenen Hochschulstandorte leben immer mehr Studierende zu weit voneinander weg, um sich regelmäßige zu besuchen. Was macht das mit Freundschaften?

In der Kolumne schreiben Studierende in Koblenz und Landau unplugged aus ihrem Alltag.

Meine Freund:innen und ich erfüllen unsere Lebensträume getrennt voneinander: Die eine macht eine Schauspielausbildung, der andere studiert Jazz-Piano und die dritte Psychologie. Auf eine merkwürdig elternhafte Art bin ich unfassbar stolz auf uns alle. Ich liebe es, dass wir an zuvor fremden Orten unser eigenes Ding machen. Egal ob wir damit erfolgreich seien sollten oder nicht. Noch sind wir jung. Wenn wir all das nicht jetzt ausprobieren, wann dann? Es war uns immer klar, dass unsere eigenen Ziele und Träume über dem Wunsch stehen, zusammen zu bleiben.

Die Grenzen der Entgrenzung

In der Soziologie ist im Zuge der Globalisierung oft von Entgrenzung die Rede. Damit ist gemeint, dass sich beispielsweise geografische Hürden schrittweise auflösen.  Durch die Ausweitung technischer sowie rechtlicher Möglichkeiten können wir mehr Fächer an mehr Orten studieren. Viele Soziolog:innen vertreten die Auffassung, Raum hätte eine vollkommen neue Bedeutung. Wir sitzen in Maastricht, Hamburg, Köln, Bonn, Brüssel und Landau, sind aber gleichzeitig alle in einem Zoom-Call. Doch ich kann nicht innerhalb von wenigen Sekunden von Landau nach Hamburg kommen. Abgesehen von Veranstaltungen und Prüfungen ist das Hauptproblem die Deutsche Bahn. Wenn ich meine Freund:innen mit deren Hilfe besuchen will, muss ich nicht nur bis zu 8 Stunden Zug fahren, sondern auch mehrmals umsteigen und Unsummen bezahlen. In diesen Momenten fühlt sich die Welt alles andere als entgrenzt an.

Generation Z: Alles Narzisst:innen?

Die wachsende Individalisierung unserer Zeit geht damit einher, dass die Menschen sich zunehmend nach innen statt nach außen orientieren. Dazu gehört das Überdenken des eigenen Daseins: Was will ich wirklich? Was macht mich glücklich? Wohin will ich überhaupt? Jede unserer Entscheidungen scheint darauf ausgelegt, uns ein schöneres Leben zu verschaffen. Auf den ersten Blick klingt das fast, als wären wir alle Narzisst:innen. Im krassen Gegensatz dazu steht das Weltbild vieler älterer Menschen, die diese Selbstreflexion für Luxus halten. “Für sowas hatten wir gar keine Zeit”, heißt es dazu oft von ihrer Seite. Vielleicht ist das verständlich – als sie jung waren, setzte die Gesellschaft ihrer Selbstentfaltung engere Grenzen. Aber es ist nicht falsch, sich selbst wichtig zu finden. Nur, in dem ich mir selbst Aufmerksamkeit schenke, weiß ich, was meine Träume sind und welche ich ersthaft verfolgen will.

Doch was bedeutet dieser Fokus auf uns selbst für unsere sozialen Beziehungen? Träumen wir solange in unterschiedliche Richtungen, dass wir uns irgendwann verlieren?

Erinnerungsfoto: Uniblog-Reporterin Lena Frohn und Freund:innen nachts am Bismarckturm, bevor das Leben nach dem Schulabschluss die Gruppe auseinander reißen wird. Foto: Privat

Erinnerungsfoto: Uniblog-Reporterin Lena Frohn und Freund:innen nachts am Bismarckturm, bevor das Leben nach dem Schulabschluss die Gruppe in verschieden Richtungen treibt. Foto: Privat

Die Zeit dazwischen

Meine kleine Clique wäre nicht die erste, die an der Ferne scheitert. Vielleicht gründen wir 2070 im Chaos der Klimakrise wirklich eine Rentner:innen-Kommune. Vielleicht bleiben wir Freund:innen über die Grenzen hinweg. Bis dahin dauert es aber noch lange. Was passiert in der Zeit dazwischen? Mit der zukünftigen Schauspielerin habe ich vor Jahren beschlossen, im Alter von 30 Jahren gemeinsam nach Budapest zu fahren. Egal ob wir dann noch befreundet sind oder nicht. Da sie vor mir Geburtstag hat, ist es wohl an ihr, das umzusetzen. Immer wenn ich den Song “Budapest” von George Ezra höre muss ich innerlich grinsen  – und zugleich eine Träne verdrücken. Einerseits kommt mir dieses Versprechen vor wie ein Fels in der Brandung. Andererseits wie eine zeitliche Begrenzung, ein Ablaufdatum.

Willst du meine Konstante sein?

Auf meinem Schreibtisch in Landau steht ein Foto. Es zeigt die zukünftige Psychologiestudentin und mich in der 10. Klasse. Damals waren wir 16. Ihre Haare sind mittlerweile kurz und die Jeans, die ich auf dem Bild trage, passt mir schon ewig nicht mehr. Trotzdem wirken wir eigentlich nicht anders aus als heute. Wir lachen zusammen über irgendeinen Witz, den nur wir verstehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mit 26 nicht immer noch so ein Bild machen könnten. Wir wären älter. Wieder eine andere Frisur, wieder ein anderer Wohnort, wieder ein anderes soziales Umfeld. In der Moderne werden unsere Lebensläufe immer individueller. Das Herumreisen, die Studiengänge, Ausbildungen und die vielen anderen Möglichkeiten führen dazu, dass die Menschen nur wenige Konstanten in ihrem Leben haben. Aber das macht die Freundschaften, die zu diesen Konstanten gehören, umso wichtiger.

Lena Frohn

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