Freiheit in der Natur genießen, Musik machen, ungebunden und mobil sein: Das erleben Sarah Künster (20) und ihr Freund Phillip Kuchcinski im Urlaub. Sie haben sich zusammen einen Bus gekauft und reisen damit durch Europa. Sarah Küster studiert im fünften Semester Deutsch und Geographie auf Grundschullehramt.
Wie kamt ihr dazu, einen Bus zu kaufen?
Für die Serie So wohnt der Campus gewähren uns Studierende und Lehrende Einblicke in die eigenen vier Wände.
Sarah Küster: Schon seitdem ich klein bin, ist das ein Traum von mir. Ich bin ein großer Fan der 68er, von Woodstock und der Musik der 70er Jahre. Zum Woodstock-Festival in den USA sind 1968 viele Menschen mit bunt verzierten Bussen hingefahren. Als ich zu Hause ausgezogen bin, habe ich gemerkt, dass ich sehr viel unterwegs bin. Ich wollte an dem Standort schlafen, an dem ich gerade bin und nicht immer die Sorge haben, wie ich nach Hause komme. Außerdem wollte ich nicht mit dem Flugzeug fliegen und in einem Hotel unterkommen. Ich wollte günstig und kulturnah reisen. Seit Januar 2020 haben wir nun unseren Bus.
Wie lange habt ihr für den Umbau benötigt? War er teuer?
Wir haben vier Monate für den Ausbau gebraucht. Er war nicht so teuer, wie wir dachten. Wir wollten so viel wie möglich selbst bauen. Wir hatten viel Hilfe von Phillips Eltern. Sein Vater ist handwerklich sehr begabt und hat eine kleine Werkstatt zu Hause. Wir haben für den gesamten Bus mit Deko, Schrauben und Versicherung rund 1000 Euro ausgegeben. Der Bus selbst hat 2000 Euro gekostet.
Wo wart ihr schon überall?
Ganz oft habe ich in Niederfell, meinem Heimatort, auf einem Berg geschlafen. Dort hat meine Oma ein kleines Grundstück mit einem schönen Ausblick. Ich war zweimal mit Freundinnen an einem See, ich war in Pforzheim und Baden-Baden. Phillip war mit dem Bus in den Niederlanden. Ich war mit Freunden schon früher dort und er kam nach. Ansonsten war ich an schönen Orten in der Umgebung. Die größte Tour zusammen mit Phillip ging nach Polen. Dorthin fuhren wir fast 20 Stunden.

Sarah Künster und ihr Freund Phillip Kuchcinski lieben das Reisen mit wenig Luxus. Foto: privat
Wo würdet ihr gerne noch hinreisen?
Ich würde gerne mal eine Europareise machen, ein halbes Jahr durch die Gegend touren. Ob es mit unserem Bus möglich ist, wissen wir noch nicht. Er ist vielleicht auch eine Art “Probeanschaffung”. Wir wollten noch nicht so viel Geld investieren. Aktuell testen wir, ob er überhaupt sehr lange Strecken durchhalten kann. Ansonsten wären Reiseziele auf jeden Fall Portugal, Kroatien, Italien oder sogar Afrika.
Wer hatte die Idee, den Bus zu kaufen?
Der Wunsch kam eher von mir, ich wollte unbedingt einen Bus. Eigentlich wollte ich einen VW T3 mit Hochdach, doch die waren einfach zu teuer. Im Internet bin ich auf den Mitsubishi L300 gestoßen. Der ist jetzt 30 Jahre alt.
Du wohnst in einer Wohnung in Lehmen. Was magst du lieber? Bus oder Wohnung?
Mir gefällt das Rumreisen besser. Dort habe ich keine Verpflichtungen. Es fühlt sich wie Urlaub an. Später möchten wir mal in einer Gemeinschaft wohnen, mit mehreren Menschen auf einem Hof. Wir haben Freunde, die ähnliche Pläne haben. Ich möchte in und mit der Natur leben, am Waldrand mit Tieren. Für ein halbes Jahr oder Jahr kann ich mir aber immer wieder vorstellen, im Bus zu wohnen oder zu reisen.
Welcher Gegenstand darf auf keiner Reise fehlen?
Eine Gitarre!

Ohne Gitarre geht für die 20-jährige Lehramtsstudentin gar nichts. Foto: Sarah-Maria Scheid
Welchen Lebensstil verfolgst du?
Ich mache einfach Dinge, auf die ich Lust habe und nehme mir dafür Zeit. Am liebsten würde ich den ganzen Tag Musik machen. Aber ich lerne auch etwas in meinem Studium, denn ich freue mich darauf, später Kinder in der Grundschule zu unterrichten. Die Musik, die ich höre, spiegelt das wider, was ich mag. Denn die Musik und Mode der 70er Jahre hatten etwas Rebellisches. Ich möchte reflektiert sein und Dinge hinterfragen. Nicht nur zusehen, sondern auch handeln und friedlich demonstrieren gehen, zum Beispiel für den Umweltschutz. Generell sollte man sich selbst treu bleiben, ehrlich und loyal seinen Mitmenschen gegenüber sein. Ich glaube an Nächstenliebe und bin ein großer Fan von Nachhaltigkeit, denn die nachfolgenden Generationen sollen auch noch von unserer Erde leben können.
Nachhaltiger Urlaub mit einem alten Bus? Wie erklärst du das?
Ich hatte anfangs ein schlechtes Gewissen, dass der Bus zu umweltschädlich ist. Er hat nur die Euro-3-Plakette. Was mir nach den Reisen aber klar wurde: Es ist wichtig, wie man den Urlaub verbringt. Wir haben zum Beispiel an einem Tag zu zweit fünf Liter Wasser für die Dusche verbraucht. Wenn man zu Hause duscht, braucht man fünfmal so viel. Wenn man sich umweltbewusst verhält, ist der Urlaub nicht so umweltschädlich, wie man denkt. Meine bequeme Alternative zu Flugzeug oder Schiff.
Was machst du außerhalb von Reisen und Universität?
Im Moment ist die Musik mein liebstes Hobby. Ich schreibe gerne Gedichte und Liedtexte. Ich würde es als eine Mischung aus Reggae, Pop und Rock bezeichnen. Falls jemand in Lehmen und Umgebung Interesse daran hat, eine Rockband zu gründen, Schlagzeug oder Bass spielt, kann er oder sie sich gerne bei mir melden (lacht). Außerdem helfe ich vier Kindern in Deutsch. Damit verdiene ich auch mein Geld. Ich spiele Volleyball und normalerweise leite ich eine Tanzgruppe, dieses Jahr auf Rollschuhen.

Sarah Küster beschreibt ihren Bus als “altes lustiges Faultier”. Foto: Sarah-Maria Scheid
Wo kommst du mit dem Bus unter, wenn du unterwegs bist?
Auf einem Campingplatz war ich bisher nur ein einziges Mal. Ansonsten meist irgendwo im Wald oder an einem schönen Aussichtspunkt. Man kann die Personen, die das Grundstück besitzen, fragen, ob man dort campen darf.
Fehlt dir etwas, wenn du lange im Bus unterwegs bist?
Am nervigsten, gerade wenn man länger unterwegs ist, ist Regen. Wenn die Campingmöbel, die vor dem Bus stehen, nass werden.
Bekommst du im Bus alles unter, was du brauchst, oder vermisst du irgendetwas?
Ich bekomme alles unter. Ich mag das einfache Leben mit wenigen Dingen. Es ist mir viel wichtiger, viele großartige Menschen auf den Reisen kennenzulernen und Abenteuer zu erleben.
Hat der Bus einen Namen? Wie würdest du seinen Charakter beschreiben?
Er heißt Space Taxi oder Spacy. Wenn ich es beschreiben müsste, wäre es ein altes lustiges Faultier, was ein bisschen verkorkst ist. Er ist unser Baby. Phillip und ich haben in den Bus viel Zeit investiert. Ich habe vorher nie verstanden, wie eine Autobatterie, eine Lichtanlage oder ein Motor funktioniert. Diese handwerklichen Skills habe ich durch den Bus erlernt.

Das Paar hat den Bus selbst ausgebaut. Viel Arbeit, die sich gelohnt hat. Foto: Sarah-Maria Scheid
Was war dein bisher schönstes Erlebnis mit dem Bus?
Zwei interessante Begegnungen hatte ich an einem See. Abends haben wir uns an einen Straßenkreisel in der Nähe des Sees gesetzt und ein Schild hochgehalten, auf dem stand: “Ihr hupt, wir trinken!” Wir waren euphorisch, weil es meine erste Tour mit dem Bus war. Auf einmal ist ein Wohnmobil zehn Runden im Kreis gefahren und hat endlos gehupt. Es hat neben uns geparkt. Der Fahrer hatte mit dem Wagen schon Preise gewonnen. Er war ein Freigeist, hatte seinen Wohnwagen selbst ausgebaut und war Chef einer Schreinerei.
Du hast von zwei Erlebnissen gesprochen, was hast du noch am Epplesee erlebt?
Bei einem zweiten Besuch war die Batterie des Busses kaputt, dennoch wurden wir angewiesen, den See zu verlassen. Wir versuchten um drei Uhr morgens, den Bus zu starten. Aber er sprang nicht an. Auf einmal ist ein Mann aus einem Kombi ausgestiegen, der neben dem Bus stand. Wir haben uns gewundert, was jemand mitten in der Nacht allein in einem Auto auf einem verlassenen Parkplatz macht. Auch der Mann träumte von einem Bus, fuhr aber immer mit seinem Kombi in den Wald, ans Meer oder an den See und machte dort am Wochenende Urlaub. Die Stadt war ihm zu laut und anstrengend. Er hat uns Starthilfe gegeben und erzählt, dass ein Freund und er gemeinsam Musik machen – eine Art Meditation mit Naturklängen. Es war toll, diesen Menschen zu treffen. Niemals hätte ich sonst solche Musik zu hören bekommen. Er hat mich inspiriert.
Interview: Sarah-Maria Scheid