So wohnt der Campus
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Frei hinter Gittern

Judith Schopp und Leonie Oettler leben im ehemaligen Landauer Gefängnis. Obwohl sie wenig Platz haben, fühlen sie sich pudelwohl in ihrer Wohnung. Fotos: Annika Namyslo

Judith Schopp und Leonie Oettler leben im ehemaligen Landauer Gefängnis. Obwohl sie wenig Platz haben, fühlen sie sich pudelwohl in ihrer Wohnung. Fotos: Annika Namyslo

Zwei junge Frauen wohnen gemeinsam dort, wo freiwillig selten jemand leben will: hinter den massiven Sandsteinmauern eines Gefängnisgebäudes. Beide studieren am Campus Landau: Leonie Oettler macht ihren Master in Medien- und Kommunikationspsychologie, Judith Schopp in Sonderpädagogik. Warum es ihnen im ehemaligen Landauer Gefängnis so gefällt, erzählen sie im Interview.

Ihr lebt im Gefängnis. Was habt ihr verbrochen?

Judith Schopp: (lacht) Da wollen wir nicht drüber reden. Wobei es bei mir wirklich witzig ist, denn nach dem Abitur wollte ich eigentlich Polizistin werden. Das hat leider nicht geklappt, also habe ich mich für Sonderpädagogik entschieden und bin so also von der Polizei in den Knast gewandert.

Interessanter Werdegang. Spaß bei Seite, wie seid ihr auf die Wohnung gekommen?

Judith: Ich habe für das erste Semester eine Bleibe in Landau gesucht. Meine damalige Mitbewohnerin hatte die Wohnung schon sicher und war auf der Suche nach einer zweiten Person, mit der sie dort einziehen kann. Als ich die Wohnung angeschaut habe, wusste ich sofort: Hier möchte ich rein. Das hat zum Glück geklappt, und nun wohne ich hier schon seit vier Jahren.

So wohnt der Campus. Foto: Amanda Vick/UnsplashFür die Serie So wohnt der Campus gewähren uns Studierende und Lehrende Einblicke in die eigenen vier Wände.

Und seit wann wohnt ihr beide gemeinsam hinter Gittern?

Leonie Oettler: Als ich mich vor einem Jahr für den Master in Landau entschieden habe, wollte ich eigentlich in eine Dreier-WG ziehen. Etwas Größeres habe ich gesucht, vielleicht auch mit Balkon oder am besten mit Garten. Da war ich wohl etwas zu optimistisch (lacht). Die Fotos dieser Wohnung haben mich trotzdem geflasht. Judith und ich haben uns dann getroffen und es hat sofort sehr gut gepasst.

Mit der Größe sprichst du etwas Wichtiges an. Der Platz in einem Gefängnis ist bekanntermaßen begrenzt, wie kommt ihr mit der beengten Wohnsituation zurecht?

Judith: Ich habe ein Hochbett und mein Zimmer entsprechend eingerichtet. Ich hatte zwischenzeitlich die Möglichkeit, in das etwas größere Zimmer zu ziehen, in dem Leonie jetzt wohnt. Das wollte ich aber gar nicht. Ich habe gelernt, damit umzugehen, und will später auch gar nicht in eine größere Wohnung…

Leonie: …sondern in ein Tiny House.

Judith: Stimmt (lacht). Wir haben hier sogar schon mal für drei Monate zu dritt gewohnt, als Leonie eingezogen ist und ihr Freund kein WG-Zimmer in Landau gefunden hat. Er hat dann auch hier gelebt, aber selbst das ging gut, weil wir alle Verständnis für die Situation hatten.

Das Zimmer von Leonie Öttler ist größer als das von Judith Schopp. Öttler hat hier eine gewisse Zeit gemeinsam mit ihrem Freund gewohnt. Foto: Annika Namyslo

Das Zimmer von Leonie Oettler ist größer als das von Judith Schopp. Oettler hat hier eine Zeit lang gemeinsam mit ihrem Freund gewohnt.

Von 1815 bis 1967, also für mehr als 100 Jahre, haben Straffällige hier gelebt. Wie fühlt es sich an, jetzt in denselben Räumen zu wohnen?

Leonie: Manchmal denke ich morgens beim Aufwachen daran, wenn ich nach draußen schaue. Ich brauche viel Licht, um mich wohlzufühlen. Dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn die neu eingebauten Fenster nicht da wären. Durch die alten, vergitterten sieht man nur den Himmel. Durch die zentrale Lage hört man gleichzeitig viel von draußen. So viel zu hören, aber nichts zu sehen, muss extrem isolierend gewesen sein. Beängstigend finde ich es aber nicht, dafür ist es einfach zu sehr ein Zuhause.

Auf der Unheimlichkeitsskala also eher eine…

Leonie: …Null!

Judith: Bis auf den Keller, der ist sehr verschachtelt mit kleinen Abteilen. Ich glaube ja nicht an Gespenster, aber wenn man abends unten ist und durch die dunklen Gänge schaut, entsteht schon eine gruselige Atmosphäre.

Um Platz zu sparen, hat sich Judith Schopp ein Hohcbett in ihr Zimmer gebaut. Foto: Annika Namyslo

Um Platz zu sparen, hat sich Judith Schopp ein Hochbett in ihr Zimmer gebaut.

Wenn eure Wohnung einen Charakter hätte, wie wäre er?

Judith: Vielleicht nostalgisch.

Leonie: Ja, das passt.

Habt ihr einen liebsten Ort oder Gegenstand in der Wohnung?

Leonie: Wenn ich alleine bin und beim Essen nicht in der Küche vor der Wand sitzen will, dann lege ich ein Kissen auf den Boden vor meinem Bett mit Blick aus den beiden großen Fenstern. Da sitze ich gerne, weil man auf die hohen Decken schaut und so viel Licht durch die Fenster kommt.

Judith: Eine Pfanne oder so (lacht). Weil ich sehr gerne koche. Ich habe hier ja auch zum ersten Mal wirklich auf Dauer alleine gewohnt und Kochen gelernt.

Klein aber fein: in der Küche wird gerne gekocht. Judith Schopp isst am liebsten Currys. Foto: Annika Namyslo

Klein aber fein: In der Küche wird gerne gekocht. Judith Schopp isst am liebsten Currys.

Wenn ihr als Gefangene hier leben würdet, was wäre dann eure Henkersmahlzeit?

Judith: Ich denke sowas wie ein Curry.

Ladet ihr auch gerne Freundinnen und Freunde ein?

Leonie: Ich lade generell total gerne Leute ein, weil ich es mag, wenn viele Menschen um mich herum sind. Manchmal bin ich mir aber nicht sicher, wie wohl sich andere mit dem begrenzten Platz fühlen. Ob sie es zum Beispiel kompliziert finden, dass man sich manchmal aneinander vorbeischlängeln muss.

Wenig Platz hat aber auch etwas Gemütliches.

Leonie: Das stimmt. Aber eher abends. Tagsüber ist es vielleicht in anderen Räumen angenehmer, weil man in der Küche nicht gut nach draußen gucken kann. Aber um abends gemütlich zusammen zu sitzen, ist es wirklich schön.

Die beiden jungen Frauen laden gerne Freunde ein. Vor allem am Abend ist es im Gemeinschaftraum gemütlich. Foto: Annika Namyslo

Die beiden jungen Frauen laden gerne zu sich ein. Vor allem am Abend ist es im Gemeinschaftraum gemütlich.

Was sagen andere, wenn sie zum ersten Mal in eure WG kommen?

Judith: Die sind erst mal beeindruckt. Wir selbst sind es ja mittlerweile gewohnt, aber für andere steckt in so einer Wohnung beim ersten Mal schon eine Faszination.

Leonie: Viele fragen tatsächlich auch, ob wir es nicht gruselig finden, hier zu wohnen und ob wir daran denken, dass hier wirklich Gefangene gelebt haben.

Wenn ihr noch mal die Wahl hätten, zusammen hier einzuziehen, würdet ihr es wieder machen?

Judith: Ja.

Leonie: Auf jeden Fall! Ich habe vorher auch schon mal in einer Sechser-WG gewohnt. Dort haben alle alles geteilt, es gab fast nichts, das jemandem allein gehört hat. Quasi wie in einer Familie. Das habe ich zum ersten Mal so in einer WG erlebt und fand es richtig schön. Als ich bei Judith eingezogen bin, habe ich ihr davon erzählt und gesagt, dass ich mir das so wieder wünschen würde. Und so klappt es jetzt auch. Wenn etwas fehlt, wird es eben nachgekauft.

Judith: Der erste Eindruck hat anfangs sofort gepasst, und so ist es auch geblieben.

Interview: Annika Namyslo

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