Aus dem Labor
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Forschung zwischen den Welten

Social Media-Experte Dr. Stefan Maier erklärt, wie Influencer in sozialen Netzwerken zu Bekanntheit und Erfolg gelangen. Foto: Emily Nolden

Social Media-Experte Dr. Stefan Maier erklärt, wie Influencer in sozialen Netzwerken zu Bekanntheit und Erfolg gelangen. Foto: Emily Nolden

Der Social-Media-Experte und sich selbst als „Internet-Opi“ bezeichnende Privatdozent Dr. Stefan Meier lüftet die Erfolgsgeheimnisse der Influencer in den sozialen Netzwerken. Als Dozent für Medienwissenschaft am Institut für Kulturwissenschaft beschäftigt er sich mit dem Einfluss, den Hintergründen und der Entwicklung von modernen Plattformen wie Instagram, YouTube und Co.

Sie sind wissenschaftlicher Mitarbeiter für Medienwissenschaft am Campus Koblenz. Wie kam es dazu und was genau lehren Sie?

In unserer Serie Aus dem Labor stellen wir Menschen und Projekte vor, die die Forschung voranbringen.

Im Anschluss an mein Germanistik- und Geschichtsstudium arbeitete ich als Onlineredakteur. Vor der Vor der Jahrtausendwende gab es den ersten Internet-Boom. Da wurden viele Quereinsteiger eingestellt, wenn sie über digitale Kenntnisse verfügten. Danach platzte die so genannte Dot.com-Blase, und viele Internet-Unternehmen gingen wieder pleite. So entschied auch ich mich jedoch, meine akademische Laufbahn wieder aufzugreifen. Nach meiner Promotion in Chemnitz und meiner Habilitation in Tübingen kam ich schließlich ans Institut für Kulturwissenschaft in Koblenz. Als Dozent unterrichte ich Themen aus dem Onlinejournalismus, der Organisationskommunikation und den Kulturwissenschaften. Zu meiner Lehre gehören auch journalistische Darstellungsformen und die Praxis verschiedener digitaler Medienformate. Fokussiert habe ich mich jedoch auf die visuelle Kommunikation. Bilder und Videos gewinnen in den sozialen Netzwerken zunehmend an Bedeutung.

Warum wird visuelle Kommunikation in den sozialen Netzwerken immer wichtiger? Was fasziniert Sie daran?

Posten wir Bilder und Videos von Kleidung, Make-up oder von bestimmten Markenprodukten, können wir Identitäten nach Wunsch konstruieren. Visuelle Kommunikation schafft Identifikationsangebote in den sozialen Netzwerken. Influencer zeigen sich und machen sich selbst zum Kunstwerk. Man versucht sich zu inszenieren. Das ist keineswegs im negativen Sinn gemeint. Im Gegenteil, es schafft Rollen, und damit Orientierung. Relevant ist bloß, wie weit man seine Rolle treibt. Ab wann ist es nicht mehr echt? Und wen erreicht meine Inszenierung? Die zentrale Frage richtet sich immer nach dem Ziel eines Posts. Ich persönlich interessiere mich stark für Bildlastiges, da ich mich stets frage, was die Bilder aussagen und was dahintersteckt. Aus diesem Grund habe ich auch mein Buch Visuelle Stile. Zur Sozialsemiotik visueller Medienkultur und konvergenter Design-Praxis geschrieben. Letztendlich geht es immer darum, sich zu vernetzen und eine Community zu bilden. Schon die Graffitisprayer haben mit ihren Bildern aufeinander Bezug genommen und sich gruppiert.

Wie wird jemand in den sozialen Netzwerken bekannt?

Zunächst einmal braucht es gute kommunikative Kompetenzen. Auch das Bedürfnis nach Selbstdarstellung muss vorhanden sein. Ein erfolgreicher Influencer kann sich gut inszenieren und bleibt dabei immer authentisch. Man ist kein unerreichbarer Promi, sondern mehr die große Schwester, ein Vorbild. Sobald die eigene Person jedoch zur Werbefigur wird, bedeutet das schnell das Ende der Bekanntheit. Auch sollte ein Influencer mehr Erfahrungen haben als seine Follower. Wird er jedoch zum arroganten Experten, lässt es ihn unerreichbar und unattraktiv wirken. Deshalb ist es beispielsweise vorteilhaft, sich mit seinem Smartphone zu filmen. Das kann jeder und es wirkt nicht wie von einem Experten gemacht. Entscheidend ist auch, ständig in Interaktion mit seinen Followern zu sein. Es ist wichtig, anschlussfähig zu bleiben. Ein erfolgreicher Influencer ist beinahe wie ein Freund, der einen stets begleitet. Beflügelt von den ersten Kooperationsangeboten und von positiven Rückmeldungen anderer Nutzer wird man schnell prominenter. Die bekanntesten Influencer kommen aus der Fashion- und Make-up-Szene und haben Accounts auf Instagram und YouTube. Ein richtiger Promi wird man jedoch nur sehr selten. Der Schritt aus der Mesoebene in die massenmediale Ebene gelingt nur durch klassische Journalisten. Die sozialen Netzwerke verursachen die Bekanntheit auf der Meso-Ebene. Gesamtgesellschaftlich, also auf der Makro-Ebene, bekannt werden sie erst, wenn auch die Massenmedien über sie berichten.

Welchen Risiken ist man als erfolgreicher Influencer ausgesetzt?

Viele Influencer fühlen sich durch die ständige Interaktion mit ihren Followern nicht gestresst, andere hingegen schon. Hier besteht die Gefahr, sich zu überlasten und dem Druck, immer wieder etwas Neues zu posten, nicht gewachsen zu sein. Wird länger als eine Woche nichts veröffentlicht, kann dies durchaus Auswirkungen auf die Followerzahl haben. Auch wird ausnahmslos jeder berühmte Influencer mit Hate-Speeches konfrontiert. Die eigene Person wird stark kritisiert, denn die Hemmschwelle, Kritik zu äußern, sinkt. Wer nicht untergehen möchte, braucht ein dickes Fell. Und wer Erfolg haben möchte, schreckt nicht davor zurück, auch große Einblicke ins Privatleben zu geben. Teenagern fehlt da manchmal das richtige Maß, um sich selbst vor Cybermobbing zu schützen. Auch entstehen Risiken für unsere Gesellschaft. Bildrechte gehen verloren und die virtuelle und reale Welt verzahnen sich zunehmend miteinander, zuweilen auf Kosten von Expertenwissen und einer differenzierten Meinungsbildung.

Wie sehen Sie die Zukunft? Werden Influencer noch mehr Einfluss haben als heute schon?

Schon heute kommt man kaum um soziale Netzwerke herum. Besonders Teenager wachsen mit ihnen auf. Sie sind die innovativste Nutzergruppe und haben am meisten technisch-kreative Medienkompetenz. Es muss aber reflektierende Medienkompetenz dazukommen. Wer sich bewusst gegen Instagram und Co. entscheidet, muss entsprechende Folgen in Kauf nehmen. Ich zum Beispiel verweigere WhatsApp. Das Chatprogramm liest das private Adressbuch und alle Fotos auf einem Smartphone aus. Für mich wird hier eine Grenze überschritten. Ich möchte nicht, dass meine Daten zu Werbezwecken genutzt werden. Das isoliert mich jedoch von anderen. Um dennoch am Ball zu bleiben, habe ich unter einem Pseudonym Accounts auf Facebook, Twitter und auf Instagram.

Was raten Sie den Studierenden beim Umgang mit sozialen Medien?

Bewegt man sich in den sozialen Medien, ist alles öffentlich und wird primär zu Werbezwecken genutzt. Jeder, der Daten liefert, kann benutzt werden. Selbst wenn die eigenen Einstellungen auf private Kommunikation gestellt sind, gelangen Informationen durch Algorithmen an Dritte. Auf Instagram und Co. aktiv zu sein, ist völlig in Ordnung, solange man weiß, wo man sich bewegt und wen man erreicht. Weiterhin rate ich immer die eigenen Quellen zu überprüfen. Nur durch einen kritischen Blick kann man zwischen wahr und falsch unterscheiden.

Woran möchten sie als nächstes Forschen?

Zum einen möchte ich der Empfehlungskultur durch Instagram weiter nachgehen. Es ist spannend, das Kaufverhalten der Social-Media-User zu analysieren und auszuwerten. Darüber hinaus interessiere ich mich stark für die fortlaufende Verzahnung der realen und der virtuellen Welt. Der Begriff Augumented Reality (erweiterte Realität) beschreibt diese computerbasierte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Ergebnisse sind beispielsweise VR-Brillen oder Google Glasses. Durch diese Erfindungen ist es möglich, gleichzeitig in die reale und in die virtuelle Welt einzutauchen. Diese Fähigkeit spiegelt sich auch zunehmend in unserem Smartphone-Verhalten wider. Chatten wir während des Unterrichts in WhatsApp, springt unser Geist zwischen der realen und der virtuellen Welt hin und her. Wir können parallel in zwei Räumen kommunizieren – und das immer schneller. Das Smartphone ist unser ständiger Begleiter. Ist es nicht nah bei uns, werden wir nervös. Die immer funktionaler werdenden Smartphones sollen mit unseren Körpern verschmelzen und beide Welten miteinander verbinden. Welche Konsequenzen auftreten, ist jedoch noch unklar.

Das Interview führte Emily Nolden

 

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