Viele Studierende gehen gerne feiern, so auch Marie Dingeldein. Doch einige Menschen können das nicht ohne Weiteres. Die 25-jährige Sonderpädagogikstudentin findet das unfair. Im Artikel erklärt sie, wie sie das ändern möchte und was ihr Engagement mit ihrer Oma zu tun hat.
In einen Club gehen, tanzen, trinken, Spaß haben – und wieder nach Hause gehen. Die meisten Studierenden besuchen gern und regelmäßig Partys in der Stadt. Doch für manche Menschen ist das nicht so einfach. “Menschen, deren kulturelle Teilhabe eingeschränkt ist”, beschreibt der AStA Landau die Teilnehmer der sogenannten Mitfeierzentrale. Das Ziel der Zentrale ist, diesen Menschen Abende zu ermöglichen, an denen sie Teil einer Party sein und mit Freunden feiern können – mithilfe einer Eins-zu-Eins-Betreuung durch einen ehrenamtlichen Begleiter. In Zusammenarbeit mit Wohnheimen sucht das Organisationsteam um Christine Schowalter, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften am Campus Landau, Studierende, die die Bewohner einen Abend beim Ausgehen begleiten. Studierende wie Marie Dingeldein. Die Studentin der Sonderpädagogik engagiert sich ehrenamtlich für Menschen mit Behinderung: bei der Mitfeierzentrale und beim Club Behinderter und Ihrer Freunde e.V. in Landau.
Wer fremdelt mehr?
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Dingeldein erzählt von einem Abend der Mitfeierzentrale, als die Helfer mit den Studierenden im Club Jeanne d’ Arc in Landau feierten. “Zu Beginn haben alle ein bisschen gefremdelt”, erinnert sich Dingeldein. Das habe sich allerdings schnell gelegt, denn die meisten Helfer seien Studierende der Sonderpädagogik und hätten daher Vorerfahrungen. “Es gab auch eine Art Rückzugsort, einen Raum mit einem Ansprechpartner, in dem sich die Teilnehmer treffen konnten, falls sie mit etwas überfordert oder unsicher waren. Das Meiste sei jedoch wie an anderen Abenden auch: Man tanzt und tauscht sich aus”, erzählt Dingeldein weiter. Manchmal gäbe es jedoch neugierige Blicke anderer Clubbesucher, vor denen man die Teilnehmer aus den Wohnheimer dann so gut es geht versucht, zu schützen. Das sei die Hauptaufgabe: Spaß haben, mit den Bewohnern zusammen sein und darauf achten, dass nichts passiert. “Wenn ich mit meinen Kommilitonen feiern gehe, ist das auch nicht anders. Wir passen ja auch aufeinander auf.” Voraussetzung gibt es für das Ehrenamt so gut wie keine. “Lust auf Feiern ist eventuell hilfreich und wenn man Berührungsängste hat, kann man die dabei abbauen.”
Auflagen und Verbote
Mit der Mitfeierzentrale verfolgt das Team um Christine Schowalter ein großes Ziel: Es möchte die soziale Abschottung von Menschen mit Behinderung reduzieren. “Dafür müssten feste gesellschaftliche Strukturen verändert und teilweise aufgehoben werden. Das ist eigentlich nicht möglich”, erklärt Studentin Dingeldein. Problematisch seien beispielsweise schon die versicherungstechnischen Auflagen. Dazu gehören auch das Verbot von hartem Alkohol oder feste Uhrzeiten, zu denen alle gemeinsam nach Hause fahren. “Mir hat noch niemand verboten, harten Alkohol zu trinken. Da fängt die Unterscheidung ja schon an.”
Die 25-Jährige ist auch im Planungsteam dabei. Sie war so begeistert von der Idee, dass sie das Konzept auch in Wiesbaden umsetzen wollte. Das Kulturzentrum Schlachthof in Wiesbaden bietet sich dafür besonders an, denn es ist barrierefrei. Fast täglich finden dort Veranstaltungen statt. Doch es stellte sich schnell heraus, dass der Veranstaltungsort das kleinere Problem bei der Umsetzung der Idee ist. “Ich brauche auch Wohnheime, die kooperieren und Mitarbeiter zur Betreuung mitschicken. Außerdem benötigen wir Ehrenamtliche, die Lust haben, mitzumachen.” In Landau sei das etwas einfacher, da hier viele Sonderpädagogik studierten und oft weniger Berührungsängste hätten.
Freundschaften und Kniffel
Neben ihrer Hilfe bei der Mitfeierzentrale engagiert sich Dingeldein seit drei Jahren beim Club Behinderter und ihrer Freunde Südpfalz e.V. Lange half sie im Fahrdienst, inzwischen geht sie regelmäßig donnerstags zu den Treffen im Clubhaus in der Münchener Straße in Landau. Ursprünglich waren die Treffen als inklusive Abende geplant, praktisch kommen aber vor allem Ehrenamtliche und die Bewohner verschiedener Wohnheime. Sie werden für den Abend abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Alle essen gemeinsam, spielen und unterhalten sich. “Ich bin einfach gerne dort und inzwischen sind auch schon feste Freundschaften entstanden”, erzählt sie. Wenn sie ein paar Wochen nicht dort war, merkt sie, wie sehr sie die anderen Teilnehmer der regelmäßigen Treffen vermisst. Besonders gerne spielt sie mit den Bewohnern Kniffel. Geredet wird meistens über alltägliche Themen wie die Arbeit. “Einer ist verlobt. Er erzählt immer ganz begeistert und hat oft viele Fragen”, freut sie sich.
Beim Fahrdienst hatte Dingeldein vor allem mit Senioren und Demenzkranken zu tun, die sie zu Tagesbegegnungsstätten gebracht und wieder abgeholt hat. “Ich habe viele nette Erinnerungen an die Zeit. Eine Frau zum Beispiel sang beim Autofahren immer gern ein bestimmtes Lied. Die anderen Mitfahrer bettelten irgendwann, sie solle endlich aufhören. Die konnten es nicht mehr hören!” Motiviert für ihr Ehrenamt hat sie auch ihre Oma. “Die Menschen erinnern mich immer ein bisschen an sie, obwohl sie noch total fit ist. Wenn es aber mal so weit sein sollte, dass sie auf Hilfe angewiesen ist, möchte ich, dass sie auch von einer netten jungen Frau betreut wird”, hofft sie.