Ihr geplantes Auslandssemester in den USA musste die Zweifach-Bachelor-Studentin Christina Kramarov 2020 ausfallen lassen. Kurzerhand bewarb sie sich stattdessen als ehrenamtliche Leiterin für ein internationales Workcamp. Es folgte eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Koblenz, Lübeck und dem Hunsrück. Am Ende hat sich alles gelohnt.
In unserer Serie Ehrenamt: Studis engagiert zeigen Studierende, wie man zwischen Stundenplan und Initiative die Balance hält.
Es ist Januar 2021. Christina Kramarov, Studentin im Zweifach-Bachelor Psychologie und Soziologie, ist gelangweilt. Eigentlich hätte sie das letzte Jahr ihres Studiums in den USA verbringen sollen, dann kam Corona. Ihre Kurse hat die damals 24-Jährige als Vorbereitung auf den geplanten Auslandsaufenthalt weitgehend abgeschlossen. Statt „land of the free and home of the brave“ heißt es nun schon seit Monaten: landesweiter Lockdown und Homeoffice. Christina braucht eine Herausforderung und die soll sie, wie sich im weiteren Verlauf des Sommersemesters herausstellt, auch finden.
Plötzlich Campleiterin

Frauenpower: Dass auch die weiblichen Campteilnehmerinnen beim Spielplatzbau kräftig anpacken, habe den Projektbetreuer zunächst überrascht, sagt Christina. Besser könne man Rollenbilder nicht aufbrechen, findet sie.
Acht Monate später, im August 2021, leitet Christina zum ersten Mal ein Workcamp des Vereins Internationale Begegnung in Gemeinschaftsdiensten (IBG). IBG vermittelt internationale Freiwillige in zwei- bis vierwöchige Camps, die europaweit einheimische Kommunen bei allerlei Projekten unterstützen: Vom Spielplatzbau über Müllsammeln bis hin zur Verschönerung von Gemeindehäusern. Auch beim Wiederaufbau des Ahrtals im Juli 2021 haben ausländische Freiwillige von IBG mit angepackt.
„Die Arbeit in den Projekten verbindet die Teilnehmenden, aber eigentlich geht es bei IBG um den interkulturellen Austausch“, erklärt Christina. Auf die Ausbildung zur Campleitung wurde Christina über den Uni-Newsletter aufmerksam. „Erst dachte ich: Was, Campleitung? Teilnehmerin, ja. Aber Leitung? Dann habe ich mir die Voraussetzungen angeschaut und mich einfach beworben“, erinnert sie sich.
Von der Theorie in die Praxis

Christina beteiligte sich auch selbst an den vielseitigen Projekten.
Die Ausbildung umfasste fünf Stufen von April bis September: Drei mehrtägige, coronabedingt digitale Seminareinheiten im Frühjahr, das Workcamp selbst und ein abschließendes Reflexionsseminar in Frankfurt am Main. „Wir wurden in verschiedene Führungsstile, Methoden des Konfliktmanagements und interkulturelle Kompetenzen eingearbeitet“, erinnert sich Christina. Als Campleiter:in für IBG ist man für organisatorische Angelegenheiten verantwortlich. Dazu gehört das Budget der Gruppe und die Verteilung von Haushaltsaufgaben in den einfachen Unterkünften vor Ort. Auch diese Themen wurden in Christinas Ausbildung behandelt.

Die Hochbeete haben die Campteilnehmer:innen selbst gebaut.
Der Wert jeder Theorie zeigt sich allerdings erst in der Praxis. Zwei Wochen dauerte das Camp, das Christina im August 2021 nahe Trier im Hunsrück betreute. Zusammen mit elf internationalen Campbewohner:innen baute sie in dieser Zeit Hochbeete, befestigte einen Steg auf einem kleinen See und malte bunte Hüpfspiele auf den Asphalt eines Schulhofs. „Es hat Spaß gemacht, Jobs auszuprobieren, mit denen ich normalerweise keine Berührungspunkte hätte“, sagt sie. Nachmittags gab es Gruppenausflüge, am Abend wurde zusammen gekocht, gegessen und gespielt. Christina selbst zog sich dann häufig zurück, um durchzuatmen. Den Alltag der Gruppe verantwortlich zu koordinieren, war für sie nicht nur neu, sondern manchmal auch ziemlich anstrengend.
An Herausforderungen wachsen
Heute weiß Christina: „Es hilft, ein Workcamp zuerst als Teilnehmer:in mitzumachen, um den Ablauf kennenzulernen.“ Sie selbst hatte diesen Vorteil nicht. Anfangs sah es sogar so aus, als müsste sie das Camp ohne erfahrene Unterstützung leiten. „IBG war bis zuletzt bemüht, mir jemanden zur Seite zu stellen, der schon Workcamps betreut hat. Am Ende ist ein erfahrener Kollege extra acht Stunden aus Lübeck zum Camp gefahren, um mir unter die Arme zu greifen“, erinnert sie sich.

Auch das gehörte zur Campleitung: Einkaufen für 12 hungrige Mägen. Obwohl die Organisation nicht immer leicht war, erinnert sich Christina gerne an ihre Zeit im Workcamp zurück.
Dennoch war aller Anfang schwer: Es gab Anreise- und Kommunikationsschwierigkeiten, jede Menge organisatorische Telefonate und lange Abende mit dem Taschenrechner am Schreibtisch, um das Budget für Einkäufe und Ausflüge zu planen. Zwischendurch seien auch mal Tränen geflossen. „Ich habe überlegt, ob ich das Negative beim Erzählen weglassen soll“, sagt Christina. „Es gehört aber dazu.“ Am Ende habe sich alles gelohnt. „Es war eine sehr intensive Erfahrung. Egal ob als Teilnehmer:in oder Campleitung: Man lernt in den Workcamps unheimlich viel über sich selbst, über andere Länder und Kulturen.“ Darum gehe es schließlich: Nicht einfach Urlaub zu machen, sondern wirkliche internationale Begegnungen zu schaffen. Und das ist dem Camp im Hunsrück gelungen, findet Christina.
Im Januar 2021 ist Christina nun doch noch für ein Auslandssemester in die USA geflogen. Während ihrer Zeit in Kalifornien muss IBG vorerst auf die frisch gebackene Campleiterin verzichten.