Kolumne

C’est la vie!

Heute schreibt Campus-Reporter René Lang. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporter René Lang. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute erzählt René Lang, warum seine Familie eine besondere Beziehung zu Frankreich hat.

Merkel und Macron machen es vor, wir machen es nach: Seit fast 75 Jahren pflegt meine Familie ihre ganz persönliche deutsch-französische Freundschaft. Meine Großmutter war noch ein kleines Mädchen, als sie zum ersten mal auf Georges traf. Ein großer Mann mit Baskenmütze auf dem Kopf und breitem Grinsen im Gesicht. Er war zusammen mit etwa 30 anderen Männern in ihrem Dorf untergekommen, um den Anwohnern auf dem Feld zu helfen. Eine Tafel Schokolade war sein erstes Geschenk an meine Oma. Der damals 23-Jährige war 1940 als französischer Kriegsgefangener nach Deutschland gekommen. Obwohl der Grund seiner Ankunft ein furchtbarer war, erwuchs aus der Begegnung eine Freundschaft, die bis heute anhält. Durch ständigen Briefwechsel und regelmäßige Besuche wurde sie über drei Generationen fortgeführt. In dieser Woche ist Georges Enkelsohn Laurent zusammen mit seiner Familie bei uns zu Gast.

Küsschen links, Küsschen rechts

Aufgeregt stehe ich vor der Ferienwohnung und warte. Vor dem Gebäude haben wir die französische Nationalflagge an einem alten Mast gehisst. Ein kleiner Scherz, der direkt für einen Lacher sorgt. Als der dunkelblaue Citroën C4 am Straßenrand hält, kann ich meine Freude kaum noch zurückhalten. Laurent ist nach sechs stündiger Autofahrt mit seiner Frau und den Kindern sicher in Deutschland angekommen. Anstatt eines Händeschüttelns oder einer Umarmung zur Begrüßung gibt es ein Küsschen auf jede Wange. In Frankreich eine gewöhnliche Geste, die für mich bis heute etwas irritierend ist. Obwohl unser letztes Treffen ein Jahr zurückliegt, sind wir uns so vertraut wie eh und je.

Am ersten Maifeiertag besuchen wir ein kleines Straßenfest im Dorf meiner Großmutter. Viele Anwohner sind zusammengekommen, um zu feiern. Am Abend steht Laurent mir gegenüber, in der einen Hand etwas zu Essen, in der anderen ein kühles Blondes. Mit einem Lächeln auf den Lippen und französischen Akzent sagt er: “Schau! Deutsches Essen. Bier und Bratwurst.” Wir müssen sehr über seine Worte lachen. Gut zu wissen, dass Laurent sein deutsches Vokabular um zwei entscheidende Begriffe erweitert hat.

Bon Appetit

Wenn unsere Familien eins verbindet, dann die Leidenschaft zu gutem Essen. Sind wir in Frankreich zu Besuch, sitzen wir nicht selten von mittags bis abends am Tisch. Den Anfang machen dabei leichte Snacks. Darauf folgen Vorspeise, Hauptgang, Käse, Dessert und Kaffee. Dazu werden diverse Weine, rot und weiß, von lieblich bis trocken, serviert. Im Mittelpunkt stehen aber die gemeinsamen Gespräche. Dass keine unserer Familien die jeweils andere Sprache spricht, stellt für uns selten ein Problem dar. Ein Wörterbuch, dass bereits von Georges zu Kriegszeiten verwendet wurde, dient bis heute als Brücke zur Verständigung. Im absoluten Notfall reicht Körpersprache aus. Laurent und ich unterhalten uns die meiste Zeit auf Englisch und helfen den anderen als Dolmetscher.

Um diese Sprachbarriere zu überwinden, habe ich im vergangenen Semester einen Sprachkurs besucht. Wöchentlich paukte ich neue Vokabeln und Grammatik. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch. Doch als ich Laurent das erste mal in seiner Sprache anrede, blicke ich in ein verständnisloses Gesicht. Meine Aussprache muss so miserabel sein, dass er kein Wort versteht. Zwischen Lernen und Anwenden besteht eben ein Unterschied. Ob Macron wohl Merkel versteht, wenn sie mit ihm auf Französisch spricht?