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Auf oder unter Rädern, das ist hier die Frage

Reporterin Sarah-Maria Scheid ist gerne mit dem Rad unterwegs. Sicher fühlt sie sich an einigen Stellen in der Stadt aber nicht. Foto: privat

Reporterin Sarah-Maria Scheid ist gerne mit dem Rad unterwegs. Sicher fühlt sie sich an einigen Stellen in der Stadt aber nicht. Foto: privat

Alle, die Fahrrad fahren, möchten sich auf den Koblenzer Straßen sicher fühlen. Damit mehr Menschen auf das Rad umsteigen, ist ein Ausbau der Infrastruktur dringend notwendig. Sarah-Maria Scheid schildert, wie sie den Verkehr in Koblenz wahrnimmt und was für einen sicheren Radverkehr von engagierten Menschen aus Koblenz unternommen wird.

Sicher auf dem Rad in die Stadt?

Wagen wir ein Gedankenexperiment: Ich möchte mit dem Fahrrad von der Uni in die Innenstadt fahren. Es gibt mehrere Optionen. Entweder fährt man direkt unten an der Mosel auf der Metternicher oder Rauentaler Seite entlang, durch die Trierer Straße oder über die Kurt-Schuhmacher Brücke durchs Industriegebiet. Ich nutze am liebsten den Weg auf der Metternicher Seite an der Mosel entlang, dann über die Staustufe und am Saarkreisel vorbei Richtung City. Sicher fühle ich mich am Fuß- und Radweg an der Mosel. Doch ist der Weg an vielen Stellen recht schmal und wegen einiger Wurzelaufbrüche sanierungsbedürftig. Wenn sich hier Menschen zu Fuß und auf dem Rad begegnen, wird es manchmal gefährlich, da es für Letztere keinen Platz zum Ausweichen gibt. Besser wären getrennte Wege für Fuß- und Radverkehr.

In der Kolumne schreiben Studierende in Koblenz und Landau unplugged aus ihrem Alltag.

Ansonsten fühle ich mich auf den vorhandenen “Fahrradwegen” – besser gesagt den auf der Straße aufgemalten Piktogrammen um den zweispurigen Saarkreisel – unsicher. Im Berufsverkehr ist der Kreisel Mittelpunkt des Verkehrsgeschehens und es ist gefährlich, dort mit dem Rad hineinzufahren. Alternativ nutze ich die Unterführung, bei der man sein Fahrrad je nach Zugang die Treppen herauf und herunter tragen muss. Gerade E-Bikes sind sehr schwer. Hier wäre eine barrierefreie Lösung ohne Treppen sinnvoll.

Wo sind die Radwege hin?

Welcher Fahrradfahrende hat nicht schon die Erfahrung gemacht, dass Radwege abrupt aufhören, viel zu schmal oder nicht sicher angelegt sind? Beispielsweise dient die um Koblenz-Bubenheim gebaute Nordtangente als Umgehungsstraße für Autos und tut damit auch ihr Nötigstes. Einen Radweg neben der Straße gibt es. Er führt allerdings von einer neu asphaltierten Strecke direkt auf einen nicht ausgebauten Feldweg, eine Buckelpiste. Sicherlich ist es günstiger, einen schon vorhandenen Feldweg als Anschluss für einen Radweg zu nutzen, aber ohne Mountainbike wird es gerade an regnerischen Tagen zu einer Kunst, nicht durch Pfützen zu fahren und schlimmstenfalls noch im Matsch auszurutschen.

Auch zugeparkte Radwege sieht man immer wieder. Personen am Steuer, die meinen, dass sie dort niemanden behindern, stellen ihr Fahrzeug längs zur Fahrtrichtung auf einen Radweg. Führen Radwege unmittelbar an parkenden Autos vorbei, sind plötzlich aufgerissene Wagentüren ein Grund für Unfälle. Wenn Menschen auf dem Fahrrad von Autos zu dicht überholt werden, meint man, dass der Seitenspiegel des überholenden Autos einem am Arm streift. Es ist wichtig, beim Überholen den vorgeschriebenen Abstand von 1,5 Metern zu Fahrrädern einzuhalten. So sollte nicht nur das Radwegenetz ausgebaut, sondern auch die Sicherheit der schwächeren Beteiligten im Straßenverkehr berücksichtigt werden. Fahrräder haben eben keine Knautschzone wie Autos.

Der Fahrradweg auf der Nordtangente endet plötzlich in einem Feldweg. Foto: Sarah-Maria Scheid

Der Fahrradweg auf der Nordtangente endet plötzlich in einem Feldweg. Foto: Sarah-Maria Scheid

Wo kann ich mein Rad sicher abstellen?

Wenn ich in der Stadt angekommen ist, erwartet mich die nächste Hürde: Wo stelle ich mein Rad ab? Die manchmal vollkommen überfüllten Radständer in der Altstadt fallen weg. Am Löhr-Center oder am Forum finde ich gelegentlich einen Bügel-Stellplatz. Sicher fühlt sich dieser Platz aber meist nicht an, obwohl ich mein Fahrrad mit teuren Schlössern abschließe. Vielleicht ist es angemessen, sich einen verrosteten Drahtesel für Stadtfahrten zuzulegen, um das Risiko eines Diebstahls zu minimieren. Mir selbst wurde glücklicherweise noch nie ein Bike entwendet. Allerdings habe ich in meinem Freundeskreis schon die ein oder andere Geschichte über ein geklautes Rad mitbekommen.

Alternativen sind in anderen Städten zu finden: Von mehr Stellplätzen bis hin zu Fahrradboxen oder Fahrradparkhäusern ist alles möglich. Vor allem für Pendelnde, die ihr Rad den Tag über am Hauptbahnhof stehen lassen, sind solche Angebote interessant.

Wie ich dieses Jahr in Stuttgart entdeckte, kann man Straßen sehr leicht zu Fahrradstraßen umrüsten. Zum Beispiel indem die Geschwindigkeit auf 20 bis 30 Kilometer pro Stunde reduziert und den Fahrrädern Vorfahrt geboten wird. Kein kostspieliger Arbeitsaufwand und mit einfachen Schildern zu handhaben. Eine weitere Option ist, Parkplätze für Autos wegzunehmen und den Platz für einen Fahrradweg zu nutzen. Koblenz ist in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer Autostadt geworden, viele Pendelnde parken in der Stadt. Lange Parkplatzsuche und Staugefahr im Berufsverkehr gehören zum Alltag.

Gibt es noch Hoffnung?

Ein ausgeklügeltes Park-and-Ride-System in Kombination mit einem gut getakteten, bezahlbaren ÖPNV, Fahrradverleih und entsprechender Fahrradinfrastruktur könnten die Menge an Pkw in der Stadt reduzieren und Staus minimieren. Weniger Autos bedeuten einen flüssigeren Verkehr. Gerade für eine gute Luftqualität ist es wichtig, möglichst wenige Fahrzeuge in der Stadt zu bewegen. Was noch dazu kommt: Radfahren hält fit und ist gesund. Wenn man morgens den Weg zur Arbeit mit Sport beginnt, hat man auf Dauer viel zusätzliche Bewegung. Zum Schutz von Umwelt und Lebensqualität der städtischen Bevölkerung wären nachhaltige Konzepte sinnvoll. Nur müssen sie finanziert und vor allem gewollt werden.

Die „Critical Mass“, eine unangemeldete und unorganisierte Fahrradtour durch die Stadt, setzt sich für bessere Bedingungen für Fahrradfahrende ein. Foto: Elias Demerath

Die “Critical Mass”, eine unangemeldete und unorganisierte Fahrradtour durch die Stadt, setzt sich für bessere Bedingungen für Fahrradfahrende ein. Foto: Elias Demerath

Forderung um Forderung erhält der Verein “Bewegtes Koblenz e. V.” beim jährlich stattfindenden Fahrradtag. An der sogenannten Klagemauer und durch Nutzung der App “Radar” dürfen sich Menschen aus Koblenz zu Problemen und Ärgernissen äußern. Die an jedem ersten Donnerstag im Monat stattfindende “Critical Mass”, eine unangemeldete und unorganisierte Fahrradtour durch die Stadt in einer Kolonne, hat jedes Mal 80-100 Teilnehmende. Sie ist als eine Art Demonstration zu verstehen. Greenpeace organisiert monatlich eine Pop-up-Lane in der Pfuhlgasse, die ebenfalls gut besucht wird. Daran erkennen schon Laien: Viele Menschen wünschen sich einen besseren Ausbau der Radwege und sind bereit, sich zu engagieren.

Anfang August haben sich zudem diverse Vereine und Ehrenamtliche dazu entschlossen, einen Bürgerentscheid auf den Weg zu bringen. Im Rekordtempo von nur etwa einem Monat haben sie über 90 Aktive zusammengetrommelt und den Radentscheid aufgebaut. Von den benötigten 4400 Unterschriften (fünf Prozent der Koblenzer Einwohnerschaft) sind  bereits etwa 7000 zusammengekommen. Bis zum 11. Dezember geht das Sammeln aber noch weiter. Anschließend werden die Unterschriften öffentlich dem Oberbürgermeister übergeben. So ist das Ziel bereits erreicht und der Stadtrat muss die Forderungen besprechen. Natürlich werden weit mehr gefordert. Auch Studierende, die ihren Erstwohnsitz in Koblenz haben, können Unterschriftenlisten auf der Radentscheid-Seite herunterladen und unterschreiben. Beteiligt sind der BUND, der ADFC Landesverband, Greenpeace, Bewegtes Koblenz e. V. und diverse Ehrenamtliche.

Sarah-Maria Scheid

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